Hannovers City-Händler leiden im Lockdown

Trist, trostlos, gespenstisch: Die Innenstadt von Hannover wirkt aktuell wie ausgestorben. Wo sonst täglich Tausende shoppen, flanieren oder bummeln, ist kaum noch jemand unterwegs. Besonders der Einzelhandel leidet, befindet sich im verordneten Winterschlaf – allerdings ohne Polster aus den Vormonaten. Das Corona-Jahr 2020 hat seine Spuren hinterlassen. Tiefe Spuren. Die finanziellen Reserven werden bei vielen knapp, schnelle Hilfe scheint nicht Sicht. Für die Branche ist die Situation vor allem eins: „Ein Albtraum“, sagt Guido Langemann, Handelsexperte der IHK Hannover. Montag, 11.40 Uhr am Kröpcke. „Es ist leer, einfach leer“, bringt es ein Passant auf den Punkt. Das belegen auch die Zahlen von Hystreet, einem Laserscanner-System, das die Anzahl an Passanten in den Fußgängerzonen misst. In der Karmarschstraße waren zwischen 11 und 12 Uhr lediglich 511 Menschen unterwegs. Das entspricht in diesem Zeitraum rund einem Viertel eines durchschnittlichen Montags. In der noch zentraler gelegenen Großen Packhofstraße wurden mit 276 erfassten Personen sogar nur 13 Prozent der üblichen Besucherzahl erfasst. Verkäuferin: „Die Situation derzeit ist ausgesprochen schlecht“: Kurz: Der Lockdown hat die City fest im Griff. Trotz geschlossener Geschäfte versuchen einige Händler ihre Kunden mit „Click&Collect“ oder Lieferservices zu erreichen. So auch die Parfümerie Liebe. Während die traditionelle Weihnachtsschleife am Gebäude abgenommen wurde, stand Celia Paulina Strauch (30) vor einem der Schaufenster. Sie hat sich eine kleine schwarze Handtasche ausgesucht. Warum sie nicht anderswo im Internet bestellt? „Ich finde es wichtig, gerade jetzt kleine Einzelhändler zu unterstützen. Die brauchen das Geld.“ Britta Krüger, Modechefin beim hannoverschen Traditionsunternehmen, steht an diesem Tag an der Abholstation und bestätigt: „Die Situation derzeit ist ausgesprochen schlecht.“ Sie sei dankbar, dass viele Kunden treu blieben und bestellen würden. „Das bringt zumindest ein bisschen was ein.“ Alles könne das aber nicht aufgefangen. Dies gelte für alle Händler in der Innenstadt, die ähnliche Servicedienste anbieten würden, weiß Martin Prenzler, Chef der City-Gemeinschaft: „Mit großen Anstrengungen erwirtschaften diese Händler zwischen 15 und 20 Prozent des Üblichen.“ Bei vielen sei der Umsatz aber komplett weggebrochen. Er beklagt: „Die Fördergelder lassen zu lange auf sich warten.“ „Die Situation des Innenstadthandels ist kurz vor schwarz“: Das sieht auch der IHK-Handelsexperte so: „Die Situation des Innenstadthandels ist kurz vor schwarz“, sagt LLangemann und prophezeit: „Einige Unternehmen werden es nicht überleben.“ Je länger der Lockdown andauere, desto mehr werde es betreffen. Denn nach einem verlustreichen Jahr mit Umsatzrückgängen von „30 bis 40 Prozent“ seien viele Händler nicht mehr liquide. Zwar gebe es geeignete Förderprogramme, die den Betroffenen in der aktuell existenzbedrohenden Lage helfen könnten, aber: „Die Gelder fließen einfach zu spät“, klagt Langemann und unterstreicht die Forderung der IHK: „Die versprochenen Hilfsmittel müssen schneller ausgezahlt werden.“ Über ein bereitgestelltes Hilfspaket könnten Händler derzeit 80 Prozent ihrer Fixkosten erstattet bekommen. Das Dilemma: „Die Bedingung für einen Antrag ist ein Umsatzrückgang von 30 bis 40 Prozent zum Vormonat“, so Langemann. Bei vielen traf das aber erst nach dem harten Lockdown im Dezember zu. Wann die Betroffnen mit den Geldern rechnen können? „Ich befürchte, das könnte noch dauern“, so Langemann. Modemacher machen auf Notsituation aufmerksam: Gastronomen, die seit Anfang November ihre Läden dicht haben, sollen dagegen in dieser Woche auf ihre „November-Hilfe“ zugreifen können, weiß der Handelsexperte. Mit einem „Umsatzausgleich von 75 Prozent zum Vorjahr“ würden sie eine „verhältnismäßig großzügige“ Förderung erhalten, findet der IHK-Handelsexperte. „Für den Handel gibt es das nicht.“ Doch auch die Einzelhändler fordern angemessene Entschädigungen für ihre Verluste. Mit der bundesweiten Protestaktion „Wir machen AUFmerksam“ erinnerten sie am Montag an ihre Notsituation. Auch die hannoverschen Modehändler Rolf Eisenmenger (66), Inhaber des Herrenausstatters „Lo&Go“ und Ulli Hahn von „Ullis Ullikat“ beteiligten sich. Eisenmenger verdeutlicht: „Wir haben nicht nur Fixkosten. Wir haben auch Ware, die verderblich ist und uns die gesamte Liquidität auffrisst.“ Von Jens Strube