Hannover schrumpft weiter – weil Wohnen viel zu teuer ist?

Viele Jahre kannte die Entwicklung der Einwohnerzahl Hannovers nur eine Richtung: Nach oben! Allein zwischen Ende 2009 und Ende 2018 stieg sie von 510.809 auf 545.107. Das entsprach einem Plus von rund 6,7 Prozent. Mittlerweile scheint sich dieser Trend jedoch umgekehrt zu haben. Zum zweiten Mal hintereinander hat die Einwohnerzahl der Stadt spürbar abgenommen. Bereits Ende 2019 verzeichnete Hannover im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 1788 Einwohnern, die ihren Hauptwohnsitz in der Stadt haben. Die Zahl für Dezember 2020 liegt zwar noch nicht vor. Die Stadt wird diese wohl erst im April veröffentlichen. Ende November lag das Minus im Vergleich zu Ende 2019 allerdings bereits bei 2718 Einwohnern. Von Ende 2018 bis Ende November 2019 ist Hannover insgesamt also um 4500 Einwohner geschrumpft. Hannover schrumpft – CDU fordert Ursachenforschung: Zwar geht die Stadt aktuell davon aus, dass die Einwohnerzahl wegen der Corona-Pandemie etwas unterschätzt wird. Der Trend allerdings scheint eindeutig – und die Politik sorgt sich. „Das widerspricht allen Prognosen, die uns zuletzt vorgelegt worden sind. Die Stadt muss diese Zahlen kritisch hinterfragen und herausfinden, welche Ursachen das hat“, fordert CDU-Ratsherr Felix Semper. Der baupolitische Sprecher seiner Fraktion hat auch eine klare Vermutung, was ein entscheidender Grund für diese Entwicklung sein könnte: „Es liegt sicherlich an den steigenden Mieten und Preisen am Immobilienmarkt“, sagt Semper. Vor allem für Bürger mit mittleren Einkommen würden viel zu wenige Wohnungen gebaut. „Deshalb ziehen die Leute ins Umland, weil sie sich dort Eigentum noch leisten können“, so der CDU-Mann. Keine Wohnungen für die Mittelschicht: Von den 25 Prozent Sozialwohnungen, die in den vergangenen Jahren durchgesetzt worden seien, profitiere die Mittelschicht überhaupt nicht, weil die anderen 75 Prozent genutzt würden, um diese mit hochpreisigen Wohnungen querzusubventionieren. Auch SPD-Fraktionschef Lars Kelich macht die Preisentwicklung am Wohnungsmarkt für das Schrumpfen Hannovers verantwortlich. „Uns fehlen mindestens noch 5000 Wohnungen. Da haben wir noch viel zu tun“, räumt er ein. Der Wohnungsbau müsse in den 2020er Jahren „weiter voran getrieben“ werden. Der Druck am Markt sei „unverändert hoch“. Kelich verspricht sich jedoch „neuen Schwung“ von einer neuen Stufe im Förderprogramm der Stadt, durch die auch Wohnungen im Bereich von acht Euro pro Quadratmeter bezuschusst werden können. Für CDU-Bauexperte Semper ist das „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Aus seiner Sicht wird in Hannover auch an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigebaut, gerade an denen junger Familien. „Viele haben nun einmal den Traum von einem Haus mit einem eigenen, kleinen Garten. In Hannover lässt sich der jedoch nicht verwirklichen“. SPD fordert 5000 weitere Wohnungen – CDU mehr Reihenhäuser: Semper fordert, dass auch wieder Reihenhäuser gebaut werden. Es gebe „viele ungenutzte Wiesen“, auf denen das möglich sei und die zum Beispiel der Stadt gehörten. Diese habe sich zuletzt ausschließlich auf die Weiterentwicklung großer Wohngebiete konzentriert, so der baupolitische Sprecher. Ein Stagnieren der Immobilienpreise in Hannover ist derzeit offenbar nicht in Sicht. Das Internetportal Immowelt sagt allein für 2021 einen weiteren Anstieg der Preise bei gebrauchten Eigentumswohnungen von 14 Prozent voraus, im Neubau soll er bei sieben Prozent liegen. Bereits in den vergangenen zehn Jahren haben sich in Hannover die Immobilien-Kaufpreise in etwa verdoppelt. Lesen Sie auch Bevölkerung: Hannover ist 2019 geschrumpft – weil Wohnen zu teuer ist? SPD: Bürger verlassen Hannover wegen hoher Mieten Hannover: Einwohnerzahl im Umland erstmals seit zehn Jahren geschrumpft Von Christian Bohnenkamp