Hannover: Zahl der Video-Prozesse hat sich verzehnfacht

Die Pandemie hat auch ihre guten Seiten: Die Zahl der gewalttätigen Konflikte, der Ladendiebstähle und der Schwarzfahrten ist deutlich zurückgegangen. So schätzt Landgerichtspräsident Ralph Guise-Rübe, dass sich die Zahl der Fahrten in den Öffis ohne Ticket um etwa 65 Prozent reduziert haben dürfte. „Ich glaube, dass wir den Rückstand bei den Verfahren in 2021 wieder aufholen können“, sagt er. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Justiz ihre personelle Stärke beibehalte. Im Frühjahr musste auch die Justiz der Pandemie Tribut zollen, den Betrieb weit zurückfahren. Die Corona-Epidemie hat den Landgerichtspräsidenten in einer Erfahrung bestärkt: „Die Traumatisierung hat zur Veränderung geführt.“ Die Pandemie habe bestehende Entwicklungen beschleunigt. Denn in diesem Jahr hat die Digitalisierung in der Justiz einen enormen Schub erlebt. „Wir haben im Bereich der zivilen Gerichtsbarkeit 400 Videoverfahren durchgeführt.“ Infektionsschutz hat geklappt im Landgericht: Das bedeutet eine Verzehnfachung dieser virtuellen Verhandlungsform im Vergleich zum Vorjahr. Doch so sinnvoll das auch ist, der Gesetzgeber hinkt noch ein wenig hinterher. „Das Gesetz schreibt vor, dass der Richter während der Verhandlung am Gerichtsort sein muss“, sagt Guise-Rübe. Eine analoge Reminiszenz. Und der Infektionsschutz hat auch geklappt. „Ich erinnere mich an zwei Corona-Infektionen unter den Beschäftigten“, so der Landgerichtspräsident. Und die Ansteckung sei nicht innerhalb des Landgerichts passiert. Dass dies so gut funktionierte, sei vor allem der Flexibilität der Richter zu verdanken. Sie seien häufiger ins Homeoffice ausgewichen, sodass man ihre Räume für die Beschäftigten des mittleren Dienstes nutzen konnte. Pandemie hat Digitalisierung enorm beschleunigt: Apropos Video: Mit seiner technischen Ausstattung nimmt das Landgericht Hannover eine Vorreiter-Rolle ein. Und der Landgerichtspräsident kann sich auch im Strafrecht vorstellen, dass die Video-Aussage zur Regel wird. „Um ein Beispiel zu nennen: Ein Polizist, der einen Tatort gesichert hat, kann auch vom Schreibtisch aussagen.“ Bei Haftsachen könnte man oft auf die aufwendige Vorführung eines Gefangenen verzichten. „Die Pandemie hat die Digitalisierung in der Justiz sicher um drei bis vier Jahre beschleunigt“, schätzt der Landgerichtspräsident. Allerdings gilt das wohl nur für das Landgericht Hannover. So war zum Jahresende eine Skype-Konferenz mit den Amtsgerichten im Landgerichtsbezirk Hannover nicht möglich. Guise-Rübe: „Das ist an der technischen Ausstattung in den Amtsgerichten gescheitert.“ Lesen Sie auch Zivilprozess: Ein Vergleich per Videoschaltung Justiz will Schritt für Schritt zurück zur Normalität Als erstes Gericht - Landgericht Hannover nutzt jetzt Skype Von Thomas Nagel