Hannover: Wird der Mord an Frederike doch nich gesühnt?

Es ist jetzt fast 40 Jahre her, dass seine damalige 17-jährige Tochter Frederike vergewaltigt und ermordet wurde. Fast 40 Jahre kämpft Hans von Möhlmann darum, dass diese bestialische Tat gesühnt wird, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen wird. Allerdings schien es vergebens – doch nun schöpft der 78-Jährige wieder Hoffnung. „Das wäre ja der Himmel auf Erden“, so der Hannoveraner. Der Grund für den Optimismus: Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD wollen die Strafprozessordnung ändern. Einen wichtigen Punkt zumindest: Der, der besagt, dass ein Freigesprochener nicht noch einmal wegen der selben Tat angeklagt werden darf. Genau das ist passiert im Fall Frederike. Dabei wurden rund 30 Jahre nach dem Mord Beweise entdeckt, die den ehemaligen Angeklagten Ismet H. heute überführen würden. „Schreiendes Unrecht“: „Wir halten es für schreiendes Unrecht, dass eine Person frei bleibt, wenn sich nach dem ersten Prozess herausstellt, dass sie einen Mord begangen hat“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, dem RND. „Ein solcher Täter darf nie die Sicherheit haben, dass er nicht mehr verurteilt wird. Deshalb wollen wir bei unverjährbaren Straftaten wie Mord oder Völkermord eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn die Tat durch neue Beweismittel wie etwa DNA-Spuren doch noch nachgewiesen werden kann.“ Das solle „auch rückwirkend gelten“. Jan-Marco Luczak von der Unionsfraktion sieht das ähnlich. Union und SPD möchten den einschlägigen Paragrafen 362 der Strafprozessordnung ergänzen – und sie möchten schon in den nächsten Wochen einen entsprechenden Vorschlag in den Bundestag einbringen, so dass das Gesetz noch vor der Bundestagswahl im Herbst verabschiedet werden kann. Petition nicht beachtet: Eine überraschende Entwicklung, denn eine eingereichte Petition beim damaligen Verteidigungsminister Heiko Maas (SPD) blieb folgenfrei. „Auch jetzt legt sich das Justizministerium immer noch quer“, sagt Wolfram Schädler, der Anwalt von Hans von Möhlmann. „Von daher ist der Vorstoß kein üblicher“, so Schädler, der von einem „Gesetzentwurf aus der Mitte der Fraktionen“ spricht. Der Sprecher des Bundesjustizministeriums äußert sich dann auch zurückhaltend. „Die Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten eines rechtskräftig freigesprochenen Beschuldigten wirft schwierige verfassungsrechtliche Fragen auf“, sagte er. Deshalb müsse eine Gesetzesänderung „bei allem Verständnis für das Leid der Angehörigen vom Bundesjustizministerium gründlich geprüft werden. Eine rückwirkende Geltung wäre aufgrund des verfassungs-rechtlichen Rück-wirkungsverbots grund-sätzlich nicht möglich.“ Wolfram Schädler sieht das anders. „Ich bin überzeugt, dass dies auch rückwirkend gelten kann.“ Für ihn ist die Initiative ein „wichtiger Schritt voran“. Aber der Jurist bleibt vorsichtig. „Genugtuung wäre verfrüht, aber es gibt Hoffnung. Aber so lange der Bundespräsident das nicht unterschrieben hat, passiert auch nichts.“ Waldraff begrüßt Initiative: Der Jurist Matthias Waldraff aus Hannover hat den Verdächtigen Ismet H. im Zivilprozess vertreten. Aber er sagt: „Ich begrüße die Initiative, die Möglichkeiten für eine Wiederaufnahme zu erweitern. Das hat ja nichts mit meiner Verteidigung zu tun.“. Waldraff warnt allerdings: „Wenn man diese Tür öffnet, kommt eine Vielzahl von neuen Verfahren, die müssen dann auch alle bewältigt werden können.“ Für ihn ist klar, dass Ismet H. nicht mehr vor Gericht kommt – aus verfassungsrechtlichen Gründen. Schädler und Möhlmann hoffen auf das Gegenteil. „Ich glaube weiterhin, dass er verurteilt wird“, so der ehemalige Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof. Entscheiden wird das vermutlich das Bundesverfassungsgericht. Am 4. November 1981 wollte die 17- jährige Gymnasiastin Frederike von Möhlmann am Abend per Anhalter von Celle in ihren Heimatort Hambühren – vermutlich nahm der Mörder sie mit. Er fuhr mit ihr in einen nahegelegenen Wald, vergewaltigte sie und schnitt ihr anschließend die Kehle durch. Die Spuren führten zum kurdischen Arbeiter Ismet H. Er stritt die Tat ab, trotzdem schien die Beweislage klar. Das Landgericht Lüneburg verurteilte ihn am 1. Juli 1982 zu einer lebenslangen Haftstrafe. Ein wichtiges Indiz: Die Reifenspuren am Tatort deuteten auf einen BMW 1602 hin – der Kurde fuhr eben solch einen Wagen. Diese Spuren führten dann aber zur Revision und schließlich zum Freispruch vorm Landgericht Stade – ein Gutachter war sicher, dass die Reifen nicht zu dem BMW passten. Die Richter waren nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Der Vater Hans von Möhlmann gab nie auf und hakte immer wieder bei der Polizei nach. Mit den neuen technischen Möglichkeiten kam der Durchbruch – ein DNA-Abgleich brachte rund 30 Jahre später die Gewissheit: Der kurdische Arbeiter ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit doch der Mörder. Aber: Weil er rechtskräftig freigesprochen wurde, kann er nicht wieder angeklagt werden. Es sei denn, er legt doch noch ein Geständnis ab. Von Möhlmann und sein Anwalt Wolfram Schädler verklagten Ismet H in einem Zivilprozess auf Schmerzensgeld. Das wurde abgeschmettert. Aber der Vater war trotzdem zufrieden: „Schließlich hat das Landgericht Lüneburg sinngemäß festgestellt, dass der Mann meine Tochter Frederike getötet hat – weil er die Tat nicht bestritten hat.“ Von Christian Lomoth