Hannover: Wegen Corona? Gilde Brauerei-Töchter melden Insolvenz an

Nach Mitteilungen der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) am Mittwoch haben zwei der drei im November 2019 von der Gilde abgespalteten Gesellschaften zum 1. Oktober einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht gestellt. Dies hat die Gilde Brauerei inzwischen bestätigt. Es handelt sich dabei um die „Fass- und Flaschenabfüllgesellschaft Hannover GmbH“ und die „Leine Logistik GmbH“. Am Nachmittag wurden die betroffenen Beschäftigten von der Gilde-Geschäftsführung informiert. Nicht betroffen ist die „Hannoversche Abfüllgesellschaft“ (Dose) und die „Gilde Brauerei GmbH“ (Verwaltung). Erhebliche Absatzeinbrüche durch Corona: Die beiden von den Insolvenzverfahren betroffenen Betriebe wurden im Herbst 2019 als 100-prozentige Töchter der Konzernmutter TCB gegründet, beschäftigt dort sind Mitarbeiter der früheren „Gilde Brauerei GmbH“. Die Aufspaltung hatte Gilde-Geschäftsführer Mike Gärtner und Karsten Uhlmann, die zugleich Geschäftsführer der TCB-Konzernmutter sind, mit einer Produktivitäts- und Effizienzsteigerung begründet. „Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass dieses Spaltungskonzept nicht funktioniert“, so Lena Melcher von der NGG. Seit Monaten tobt bei der Brauerei ein Streit um Tarifverträge, der zuletzt wegen der Corona-Pandemie aber geruht hatte. Die Insolvenzanträge seien deshalb auch eine Folge von konzerninternen Volumenverlagerungen, so die NGG weiter. Tatsächlich aber dürften auch die Folgen der Corona-Pandemie eine Rolle gespielt haben. Gilde Bier wird weiterhin in Hannover gebraut: Die Gilde hatte mit Hannover Concerts und Hannover 96 zwei Großabnehmer, die durch Corona seit Monaten keine oder zuletzt nur eingeschränkte Veranstaltungen umsetzen konnten. Zudem ist die Gilde stark in der Gastronomie vertreten. Auch diese leidet unter den Folgen der Pandemie. Betroffen von der Insolvenz sind 64 Mitarbeiter. Die Mitarbeiter wurden um 14 Uhr und um 15 Uhr informiert. „Die Geschäftsführungen der Fass- und Flaschenabfüllgesellschaft GmbH Hannover und der Leine Logistik GmbH haben uns darüber unterrichtet, dass sie ihre Gesellschaften aufgrund der durch Corona bedingten wirtschaftlichen Situation und Perspektive nicht fortführen können und Gläubigerschutz beantragt haben“, ließ die Gilde-Brauerei am Mittag über eine Kommunikationsagentur mitteilen. Für Kunden und Partner ändere sich nichts. Gilde-Bier werde weiterhin wie gewohnt in Hannover gebraut, Lieferengpässe werde es nicht geben. Der Wegfall zweier Auftragnehmer werde die Gesellschaft nicht beeinträchtigen. „Wir haben umgehend damit begonnen, den Markt auf geeignete Anbieter hin zu sondieren.“ Teil der Leine Logistik-Mitarbeiter seit April in Kurzarbeit: Am Nachmittag teilte die Geschäftsführung der „Leine Logistik GmbH“ mit, dass sich die Mitarbeiter im Eventbereich durch die Corona-Krise seit April in Kurzarbeit befänden. Nun habe man Insolvenz beantragt. Auch die Lage im Gastronomie-Geschäft sei seit Monaten äußerst angespannt, eine Besserung nicht in Sicht. „Die Umsätze sind regelrecht eingebrochen, die Situation ist nicht mehr tragbar.“ Seit dem Ausbruch der Pandemie seien wichtige Großevents abgesagt worden, in der Gastronomie kämpfen viele Betriebe um ihre Existenz. „Es ist klar, welche Konsequenzen dieser Schritt hat. Vor allem unsere Mitarbeiter trifft er sehr hart. Aber für die haftende Geschäftsführung ist diese Entscheidung ohne Alternative“, so Geschäftsführer Jonas Ludwig weiter. Im Eventbereich arbeiten sieben Mitarbeiter, in der gesamten GmbH 36. Der Großteil war somit nicht in Kurzarbeit. Ähnlich äußerte sich am späten Nachmittag auch die Geschäftsführung der Fass- und Abfüllgesellschaft Hannover. Die Insolvenzeröffnung sei aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens unumgänglich. „Durch Corona ist das lebenswichtige Gastronomie-und Eventgeschäft stark eingebrochen, die Umsätze sind stark gesunken“, so Geschäftsführer Michael Gerß. Vor allem sei nicht absehbar, ob und wann sich die Situation wieder ändere. „Die Geschäftsführung war gezwungen, Gläubigerschutz zu beantragen.“ Vor der Pandemie sei sie Gesellschaft gesund und zukunftsfähig aufgestellt gewesen. „Nun aber finden Events in relevanter Größe nicht mehr statt.“ Und die Gastronomie leide spürbar unter den Auflagen. Am Freitag weitere Infos über die Zukunft der Gesellschaften: Hannovers Erste Stadträtin und Wirtschaftsdezernentin Sabine Tegtmeyer-Dette bedauerte es am Mittwoch, dass die beiden Unternehmen Insolvenz anmelden mussten und 64 Angestellte davon betroffen sind. „Hier zeigen sich leider die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des damit verbundenen Wegfalls von Großveranstaltungen, die ein entscheidender Absatzmarkt für die Branche sind.“ Julian Weinz, Ex-Gesamtbetriebsratschef bei der Gilde und jetzt Betriebsratsvorsitzender bei der „Gilde Logistik GmbH“, sagte am Mittwoch, die Geschäftsführung habe die Insolvenz damit begründet, dass keine Arbeit mehr da sei. „Am Freitag wird uns dann mitgeteilt, wie es weitergeht.“ Dies gelte auch für die Kollegen bei der Fass- und Flaschenabfüllung. Am Mittwochabend forderte der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Lars Kelich, die Geschäftsführung der Gilde auf, tragfähige Lösungen für die Gilde-Betriebe zu präsentieren und endlich an den Verhandlungstisch mit allen Beteiligten zurückzukehren. „Ein Traditionsunternehmen wie die Gilde benötigt endlich wieder Zukunftsperspektiven im Sinne aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, so der Fraktionschef. Insbesondere in Zeiten von Corona sei die Nachricht von den Insolvenzanträgen ein weiterer Schlag ins Gesicht der zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fass- und Flaschenabfüllgesellschaft Hannover GmbH und der Leine Logistik GmbH. „Die nun gestellten Insolvenzanträge der beiden Betriebe belegen erneut das Versagen der Geschäftsführer der Gilde Brauerei, die auch Geschäftsführer der TCB-Konzernmutter sind.“ Statt gemeinsam mit den Beschäftigten nach einer Lösung zu suchen, wurde in beiden Betrieben offenbar keine oder kaum Kurzarbeit angemeldet, obwohl dies möglich gewesen wäre, zudem wurden Aufträge und Volumen ausgelagert. Lesen Sie auch Tarifkonflikt bei Gilde gärt weiter: Landtagspolitiker schalten sich ein Schon wieder Warnstreik bei der Gilde Brauerei Hannover: Gilde sperrt Mitarbeiter aus und leiht sich Beschäftige aus Frankfurt/Oder Von Andreas Voigt