Hannover: Verunsicherung bei Senioren zum Corona-Impfstart

Paul Richard Pforte (81) legt den Hörer auf. Er schaut zu seiner Frau Monika (75) und schüttelt den Kopf: „Wieder nichts“, sagt er enttäuscht. Seit Tagen versucht er, an Informationen zur Corona-Impfung zu kommen und hat bei verschiedensten Stellen angerufen. „Wir haben ja kein Internet“, sagt er. Das Ehepaar weiß, dass erst am 28. Januar die Informationsbriefe vom Sozialministerium zur Corona-Impfung an über 80-Jährige verschickt werden. Die beiden können es kaum erwarten: „Wir wollen uns unbedingt impfen lassen, sobald es losgeht und würden uns wünschen, dass im Brief gleich ein Termin vorgeschlagen würde“, so Pforte. Das Schreiben ist schon jetzt auf der Internetseite des Landes einzusehen. Einen Terminvorschlag für Personen über 80 Jahre wird es nicht geben: Sozialministerin Carola Reimann informiert im Schreiben darüber, dass Impfberechtigte sich ab dem 28. Januar telefonisch sowie über das eingerichtete Onlineportal Termine reservieren können. „Meine Befürchtung ist, dass wir bei der Telefonhotline nicht durchkommen werden“, sagt Paul Richard Pforte besorgt. Schließlich sei er nicht der Einzige, dessen große Hoffnung der Corona-Impfstoff sei. „Wir möchten sehr gerne noch ein bisschen länger auf der Welt bleiben“, sagt auch seine Frau Monika Pforte. Das Warten auf den Impftermin sei entsetzlich: „Wir halten uns an alle Corona-Maßnahmen und trotzdem bessert sich die Situation nicht“, so die Seniorin. Am schlimmsten sei für sie jedoch die Ungewissheit, wann und ob ihr Mann einen Impftermin bekommen wird. Seniorenverband: „Ältere Menschen sind verwirrt und verzweifelt“: Das bestätigt auch Jürgen Hüper (79) vom Seniorenverband des Bundes der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen (BRH): „Gerade die älteren Menschen sind momentan sehr verwirrt und auch verzweifelt.“ Denn problematisch sei auch, dass viele Rentner nicht direkt in der Stadt wohnen würden: „Es müssten eigentlich schon jetzt Fahrgemeinschaften für diejenigen organisiert werden, die im Umland wohnen“, fordert der Landesvorsitzende Hüper. Sonst sei es für viele unmöglich, Termine in Impfzentren wahrzunehmen. Dabei setzt Hüper auch auf die Mithilfe der jüngeren Generation: „Im Frühjahr 2020 haben wir so eine großartige Solidarität von Jung und Alt erfahren“, schwärmt der 79-Jährige. Die werde nun erneut gebraucht, um ältere Menschen dabei zu unterstützen, Impftermine zu organisieren und wahrzunehmen. SPD-Politiker fordert Impfkampagne, um Ängste abzubauen: „Das muss aber auch eine kommunale Aufgabe sein“, findet SPD-Chef Adis Ahmetovic. Er will am Dienstag in der SPD-Ratsfraktion einen Vorschlag für eine Impfkampagne sowie einen Fahrservice zu den Impfzentren einbringen: „Es gibt momentan viele große Fragezeichen in der Bevölkerung und ein wichtiger Schritt in der Eindämmung der Corona-Pandemie muss eine Aufklärung sein, die über die medizinischen Informationen hinausgeht“, fordert Ahmetovic. Er würde sich eine offensive Impfkampagne wünschen, die Sorgen und Ängste bei der Corona-Impfung mindern könnte: „Und dabei müssen wir nicht nur die über 80-Jährigen im Blick haben“, so Ahmetovic. Angedacht ist eine Zusammenarbeit von Stadt und Vermieterverbänden wie beispielsweise der Hanova Wohnen GmbH oder dem Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, um alle in Hannover lebenden Menschen zu kontaktieren. „Das Ziel wäre, dass jeder Bürger ein Schreiben von der Stadtverwaltung mit persönlicher Ansprache und einer umfangreichen Aufklärung zur Corona-Impfung bekäme“, sagt Ahmetovic. Dazu forderte er am Freitag einen Fahrservice in Zusammenarbeit mit lokalen Taxiunternehmen, dem Mobilitätsunternehmen Moia und auch Organisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), den Maltesern sowie den Johannitern: „Wir brauchen den Einsatz von Ehrenamtlichen, um Senioren, körperlich eingeschränkte Menschen und auch sozial benachteiligte Menschen zu den Impfzentren zu bringen.“ Lesen Sie auch Neue Corona-Verordnung: Diese Regeln gelten jetzt in Niedersachsen? 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ASB, DLRG, DRK und Johanniter könnten ausgebildetes Personal und Fahrzeuge beisteuern, um Senioren und in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen zu transportieren und beim Gang ins Impfzentrum zu begleiten. „Sorgen zu nehmen und durch mehr Freiheit auch wieder mehr Lebensfreude zu geben, ist uns ein wichtiges Anliegen“, sagt Udo Zachries, Geschäftsführer des ASB. Die vier Organisationen stünden auf Abruf bereit. Zu lange Wartezeiten am Telefon: Eine Unterstützung sowohl bei den Anmeldeformalitäten als auch bei der Anfahrt zum Impfzentrum ist dringend notwendig. Denn aktuell fühlen sich die Senioren allein gelassen: „In Gesprächen mit Menschen in meinem Alter bekomme ich mit, dass einige jetzt schon aufgeben und sagen, dass sie sich bei den großen Schwierigkeiten dann doch nicht impfen lassen wollen“, erzählt der 81-jährige Paul Richard Pforte. Zu groß sei die Hürde, an Informationen zu kommen – und zu groß die Frustration bei langen Wartezeiten am Telefon. Von Sophie Peschke