Hannover: Teurer Streit um ein paar Kratzer

Vorsicht vor der Frau des Hauses, der Hund ist harmlos. Schilder mit solchen Sprüchen kann man kaufen. Aber hat das auch etwas mit der Wirklichkeit zu tun? Wenn man auf den Fall von Amtsrichter Adrian Kramer schaut, könnte man zumindest ins Grübeln geraten. Rund zwei Jahre beschäftigte sich der Zivilrichter mit ein paar Kratzern auf einem Peugeot. Der Rechtsstreit lief in einem wichtigen Punkt völlig aus dem Ruder. Am 18. Juli 2018 trafen sich zwei Freundinnen am Truppenübungsplatz an der Kugelfangtrift (Vahrenheide) zum Spazieren gehen. Mit dabei auch „Effi“, ein American Bully. Als Jutta Schmidt (Name geändert) den Kofferraum ihres Peugeots öffnete, um Leckerlis herauszuholen, kam „Effi“ angerast. Und sprang mindestens zwei Mal an dem Auto hoch. Jeder Tierbesitzer weiß, für kleine Leckereien vergisst jeder Hund jegliche Form von Anstand. Zeugin konnte Vorfall bezeugen: Am nächsten Tag bemerkte Jutta Schmidt mehrere zehn bis zwölf Zentimeter lange Kratzer an ihrem Auto. Sie forderte „Effis“ Frauchen, Kerstin Meyer (42, Name geändert), auf, den Schaden ihrer Versicherung zu melden. Doch das geschah nicht. Also kam es zum Rechtsstreit. Obwohl eine Zeugin bestätigen konnte, dass der Hund am Auto hochgesprungen ist, blieb Kerstin Meyer uneinsichtig. Mehr noch sie bezichtigte ihre Hundefreundin, sie zu einem Versicherungsbetrug anstiften zu wollen – per Sprachnachricht auf dem Handy. Schaden viel geringer als Gutachterkosten: Richter Kramer blieb nichts anderes übrig, als ein Gutachten in Auftrag zu geben. Und so schauten sich eine Tierärztin und ein Ingenieur an, wie wohl die Kratzer in den Lack gekommen sind. Das Gutachen war ebenso eindeutig wie teuer. „Effi“ hatte die Kratzer verursacht. „Das Gutachten kostete 4070 Euro“, erklärte Gerichtssprecher Carsten Knepper. Der verursachte Schaden hingegen beläuft sich auf 650 Euro. Kerstin Meyer muss jetzt 79 Prozent der Gerichtskosten (inclusive Gutachter) und den Schaden tragen. Der restliche Teil der Gerichtskosten bleibt an der Klägerin hängen. Sie hatte vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht. Da die Beklagte schon vor der Mandatierung des Anwalts deutlich gemacht habe, dass sie sich nicht für den Schaden verantwortlich fühle, müsse die Beklagte diese Kosten nicht übernehmen, entschied der Richter. Lesen Sie auch Amtsgericht entscheidet tierischen Sorgerechtsstreit Mops „Edda“ gepfändet: War der Ebay-Verkauf zulässig? Hundebesitzerin will Tierarzt nicht bezahlen Von Thomas Nagel