Hannover: Stadt lehnt Fettabsaugung bei einer Beamtin ab

Michaela Langner (56, Name geändert) war immer sehr sportlich. Vor sieben Jahren lief sie einen Marathon. Kurz danach begann einer weiterer Marathon. „Ich rannte von Arzt zu Arzt“, erzählt sie im Verwaltungsgericht Hannover. Ihre Oberschenkel wurden immer dicker, schmerzten und waren extrem druckempfindlich. Als sie die richtige Diagnose erhielt, war die Krankheit schon fortgeschritten. Die Diagnose: Die sportliche Frau litt unter einer Fettstoffwechselstörung (Lipödem), Stadium II. Am Montag klagte sie gegen ihren Arbeitgeber, die Stadt Hannover, auf Übernahme der Behandlungskosten für zwei operative Eingriffe. Als Beamtin hat sie eine freie Heilfürsorge, zu etwa 30 Prozent muss sie sich zusätzlich privat krankenversichern. Ihre Krankenversicherung hat die Kosten für die zwei Eingriffe (etwa 12.000 Euro) übernommen. Nur der Dienstherr weigerte sich, die ausstehenden Kosten von gut 8000 Euro zu zahlen. Gesetzliche Krankenversicherung zahlt den Eingriff: Die Klage wurde abgewiesen. Richter Sasan Rehhati stellte fest, dass es sich um keine anerkannte Therapie handle. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe die Erprobung der Fettabsaugung für Stadium-II-Patienten beschlossen, aber noch nicht als Methode anerkannt. Für Stadium-III-Patienten ist die Liposuktion bereits eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Rund acht bis zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung leiden unter einem Lipödem. Die Stoffwechselstörung führt dazu, dass sich übermäßig viele Fettzellen in der unteren Körperhälfte bilden. Die Ursache für das Leiden ist unbekannt. Bekannt ist aber, dass hormonelle Veränderungen wie Pubertät, Schwangerschaft oder Wechseljahre eine Rolle spielen. Die Stadt Hannover sah bei der Beamtin die konservativen Methoden (Diät, Bewegung) noch nicht ausgereizt. Außerdem sei der operative Eingriff kein Standard. Der Anwalt der Klägerin, Mamdouh Abdel-Hamid, erklärte: „Die Beschwerden sind für die Patientinnen, egal in welchem Stadium, dieselben“. Konservative Methoden linderten bestenfalls die Beschwerden, aber bekämpften nicht die Ursache der Erkrankung. Lipödem kann zu Gehbehinderungen führen: Unter Stadium III verstehen Mediziner grobe, deformierende Fettlappen an den Innenseiten der Oberschenkel und Knie. Soweit war die Erkrankung bei Michaela Langner noch nicht fortgeschritten. „Aber es war absehbar, dass es so kommt“, sagt die Frau mit der athletischen Figur. Bei Stadium III können Gehbehinderungen auftreten, weil die Gelenke durch das hohe Gewicht zu sehr belastet werden und die Beine zu voluminös für eine normale Fortbewegung werden. Bei einer Operation werden die verhärteten Fettzellen leer gesaugt. Mindestens zehn Jahre sind die Frauen danach beschwerdefrei. Ob die Krankheit danach wieder auftrete, müsse in Langzeit-Studien erforscht werden, sagt Anwalt Abdel-Hamid. Lesen Sie auch: NP-Interview - Madlen Kaniuth: "Ich möchte anderen Frauen helfen" – NP - Neue Presse Kassen zahlen besonders kranken Frauen künftig Fettabsaugen Junge Frau nimmt durch Krankheit 60 Kilo zu – aber Krankenkasse lehnt OP ab Von Thomas Nagel