Hannover: Mangel an Seniorenwohnungen - oft bleibt nur der Weg ins Heim

Im Alter können Treppenstufen, steile Schrägen oder der Rand der Badewanne zu unüberwindbaren Hindernissen werden. Viele Wohnungen in Hannover und Umland sind jedoch nicht an den Bedürfnissen von Senioren ausgerichtet. Die Gewerkschaft IG Bau hat deshalb Alarm geschlagen. Sie warnt vor einem massiven Mangel an Seniorenwohnungen. „Nur ein kleiner Teil der Wohnungen in der Region ist für die rasant wachsende Generation Ü65 geeignet. Das muss sich ändern“, fordert Stephanie Wlodarski, die Bezirksvorsitzende der IG Bau Niedersachsen-Mitte. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass die Zahl der über 65-Jährigen in Stadt und Umland bis zum Jahr 2035 auf 296.000 anwachsen wird. Das wären 22 Prozent mehr als noch im Jahr 2017. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf eine Demografie-Prognose des CIMA-Instituts für Regionalwirtschaft. Für Wlodarski ist der Bau altersgerechter Wohnungen eine „demografische Notwendigkeit“. Gewerkschaft warnt vor „grauer Wohnungsnot“: Sie setzt sich für Lifte statt Treppen, breitere Türen für Rollatoren und Rollstühle sowie barrierefreie Duschen ein. Wenn die Rentner-Generation nicht besser berücksichtigt werde, drohe in einigen Jahren eine „graue Wohnungsnot“, fürchtet Wlodarski. Probleme sieht auch Klaus Dickneite, der dem Seniorenbeirat der Stadt Hannover angehört. „Entschieden zu wenig“ werde für den Bau barrierefreier Wohnungen getan, die nicht nur für Senioren wichtig seien. Viele seien gezwungen, sich einen teuren Heimplatz zu suchen, obwohl sie eigentlich ambulant zuhause betreut werden könnten. Zumindest, wenn die Wohnungen entsprechend umgebaut würden. Das geschehe oft aber nicht. „Das ist nicht nur eine Frage des Alters, sondern da geht es auch um das Thema Inklusion“, stellt Dickneite klar. Selbst wenn die eigene Wohnung barrierefrei sei, gebe es Einschränkungen, weil Besuche bei Freunden, Familie und Bekannten nicht möglich seien. „Wenn wir Inklusion ernst nehmen, müssen wir irgendwann dahin kommen, dass barrierefreie Wohnungen generell Standard werden“, fordert Dickneite. Mindestens müsse dieser Anspruch für die Sozialwohnungen gelten, die von der öffentlichen Hand bezuschusst werden. „Es kann nicht sein, dass ein Rentner nur deshalb ins teure Pflegeheim muss, weil eine ambulante Betreuung an der seniorengerechten Ausstattung der eigenen Wohnung scheitert“, kritisiert auch Wlodarski von der IG Bau. Sozialverband: Senioren wollen im vertrauen Umfeld bleiben: Der Sozialverband Deutschland bestätigt der NP ebenfalls, dass es Fälle gibt, bei denen Senioren gezwungen sind, ins Heim zu gehen, weil sie keine altersgerechte Wohnung finden. Ingrid Beyer vom Sozialverband in Hannover betont, dass „Senioren gern in der vertrauten Umgebung bleiben und nicht in ein Neubaugebiet ziehen möchten“. Sie kritisiert, dass seniorengerechte Umbauten in den Wohnungen, die vom Staat gefördert werden, nach Auszug oder Tod des Mieters „auf eigene Kosten zurück gebaut werden müssen. Das sollte man ändern“. So bekäme man auch „mehr umgebaute Seniorenwohnungen“. Doch wie groß ist der Mangel an Seniorenwohnungen in Hannover jetzt schon? Laut Stadtsprecher Dennis Dix gibt es dazu „keine Zahlen“. Das liege unter anderem daran, dass gar nicht genau definiert sei, was eigentlich eine Seniorenwohnung sei. Zudem können und sollten „nicht alle Menschen über 65 pauschal als bedürftig“ betrachtet werden, was ihre Wohnsituation angeht. Stadt: Viele Neubauwohnungen für Senioren geeignet: Klar sei aber, dass viele – insbesondere alleinstehende – ältere Menschen „aufgrund ihrer Einkommenssituation auf preiswerte kleine Wohnungen angewiesen sind“. Bei der Förderung von Wohnungsneubau werde dem Rechnung getragen, versichert Dix. Den Anteil der Sozialwohnungen im Neubau hat der Rat auf 30 Prozent festgelegt. Dabei würden „vorrangig auch kleine Wohnungen gefördert werden“, sagt der Stadtsprecher. Der empfohlene Anteil an Wohnungen für eine oder zwei Personen liege beim städtischen Wohnraumförderprogramm bei 55 Prozent. Viele der bereits fertiggestellten 700 Sozialwohnungen seien „auch für Senioren geeignet“, da bereits jetzt „weitgehend barrierefrei“ gebaut werde, erklärt Dix. Neuerdings sei das laut Niedersächsischer Bauordnung beim Neubau sogar vorgeschrieben. Lesen Sie auch Bezahlbare Seniorenwohnungen werden Mangelware Minister Lies schwärmt vom Miteinander im Vitalquartier Hannover: Ampelbündnis setzt auf Holzhäuser gegen die Wohnungsnot Von Christian Bohnenkamp