Hannover: Kommt der Fluchthelfer eines Mörders straffrei davon?

Eins steht fest: Hamid H. (36) hat einem Mörder bei der Flucht geholfen. Doch darf man ihn dafür belangen? Für Anwalt Dimitrios Kotios steht fest: Nein, darf man nicht. Und zwar aus zweierlei Gründen. Zum einen sei H. der Schwager des Mörders. Und Strafvereitelung ist für Angehörige straffrei. Und zum anderen wollte der Angeklagte einen zweiten Mord verhindern und hat deshalb seinen Verwandten gerettet. Rückblende: Am 13. März 2016 feierte eine große Gesellschaft im Star-Event-Center (Flughafenstraße, Vahrenheide) Hochzeit. Da stürmte Shilan H. (26) in den Saal und tötete die Braut (21) um 22.15 Uhr mit fünf Schüssen in den Kopf. Ein Ehrenmord. Denn die junge Frau hatte sich der Zwangsheirat mit dem Täter entzogen. Shilan H. ist mittlerweile im Irak zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ist der Angeklagte mit dem Mörder verwandt? Nach dem Mord entwickelte sich eine Massenschlägerei. Hamid H. flüchtete mit dem Mörder. Das ist aber auch das Einzige, was am Freitag vor dem Schöffengericht klar war. Was folgte, hätte jeder Verwechslungskomödie zur Ehre gereicht. Anwalt Kotios legte Urkunden vor, die die Identität des Angeklagten belegten. Die Heiratsurkunde zwischen dem Angeklagten und der Schwester des Täters mailte er während der Verhandlung dem Gericht. Doch auch nach eineinhalb Stunden konnte das Gericht keinen Maileingang verzeichnen. Doch Hamid H. ist nicht nur der Schwager des Mörders, sondern auch sein Cousin. Das war der Auftakt für ein heilloses Durcheinander. Auf den Urkunden standen die Namen der Beteiligten. Teilweise in unterschiedlicher Schreibweise, teilweise auch mit verschiedenen Namen. Das ließ sich noch leicht erklären. „Die Dolmetscher übersetzten die Namen in unterschiedlicher Schreibweise“, erklärte der Angeklagte. Und teilweise sind die Beteiligten unter falschem Namen nach Deutschland eingereist. Cousin oder Bruder? Das ist die Frage: Komplett absurd wurde es, als die drei Brüder des Mordopfers aussagten. Der erste Zeuge (20) erklärte: „Ich weiß nicht, ob der Angeklagte mein Bruder ist. Er trägt meinen Namen.“ Der zweite Zeuge (18) bezeichnete den Fluchthelfer als „Cousin“. So tat es zunächst auch der dritte Zeuge (32). Korrigierte sich dann aber: „Er ist mein großer Bruder.“ Man sei zusammen aufgewachsen. Somit wäre der Angeklagte der Bruder des Mordopfers. Der letzte Zeuge stellte das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Mörder und Angeklagtem infrage. Vielleicht muss Richterin Paula Sekula am Ende auf DNA-Vergleiche zurückgreifen. Jetzt geht es erst mal am 10. Dezember weiter. Bis dahin sollen die Identitätsurkunden und Heiratsurkunde geprüft werden. Doch der Prozess verheißt nichts Gutes: Bei der Frage nach weiteren Zeugen, meinte der Angeklagte: „Ich habe zehn Tanten väterlicherseits. Von der mütterlichen Seite sind es auch noch ein paar.“ Lesen Sie auch: Kriminalität - Hannover: Nach Todesschuss Haftbefehl erlassen Ehrenmord? - Hochzeitsdrama: Vater erhebt Vorwürfe gegen Neffen Kriminalität - Ermittler fahnden mit Foto nach Hochzeitstragödie Von Thomas Nagel