Hannover: Gericht macht Deal mit BMW-Dieben

Prozesse haben manchmal etwas von Pokerrunden. So auch am Donnerstag beim Prozessauftakt gegen zwei professionelle Autodiebe aus Litauen im Landgericht Hannover. Sie haben zwischen Januar und Juli 2018 teure BMW`s in der Region Hannover gestohlen. Schaden: mehr als 200.000 Euro. Und wie bei jedem Spiel mit verdeckten Karten will niemand zu früh aus der Deckung kommen. „Ich will das Angebot des Staatsanwalts hören“, sagte der Anwalt von Marijus B. (42). Der Verteidiger von Mindaugas R. (39) erhöhte sofort den Einsatz. „Mein Mandant hat eine zwölfjährige Tochter, die nach einem schweren Autounfall halbseitig gelähmt ist. Er befindet sich in extremer finanzieller Schieflage.“ Schwerer Bandendiebstahl angeklagt: Die Anwälte legten nach. Für die Fälle acht und neun (28. Juni in Hannover und 29. Juni 2018 in Langenhagen) regte der Anwalt von R. eine Einstellung ein. „Ich habe da Probleme mit der bandenmäßigen Begehung“, so Thomas Gros aus Köln. Doch Richter Joachim Lotz und Staatsanwalt Torben Jedamski haben ein gutes Blatt und lassen sich nicht bluffen. Anwalt Gros erklärte, warum er in den Fällen acht und neun eine Einstellung erreichen will. „Die Konten meines Mandanten sind gepfändet.“ Wird er in diesen Fällen verurteilt, müsse er für den Schaden in Höhe von 57.000 Euro aufkommen. „Das rührt ihr Herz, aber nicht Ihren Juristen-Verstand“, meinte der Verteidiger mit einem Lächeln. Richter Lotz lächelte zurück: „Ja, richtig.“ In den ersten vier Fällen konnte das Diebesgut sichergestellt werden, insofern muss kein Schaden ausgeglichen werden. R. steht wegen dieser sechs Taten vor Gericht. Sein Komplize wegen neun Autodiebstählen. Da sie die Taten mit Komplizen verübten, ist schwerer Bandendiebstahl angeklagt. Anwälte akzeptieren Vergleichsvorschlag: Als nun der Anwalt von Marijus B. anfing, bei den Taten eins bis vier von tateinheitlicher begehungsweise zu sprechen, hatte er sein Blatt eindeutig überreizt. Richter Lotz: „Lassen Sie dieses Thema weg, sonst bekomme ich schlechte Laune.“ Am 28. Juni 2018 hatten die Angeklagten vier BMW`s in Peine und in Hannover gestohlen. Am Ende legte Staatsanwalt Jedamski sein Blatt auf den Tisch: Für Marijus B. hält er eine Strafe von etwa viereinhalb Jahren Haft für angemessen; bei Mindaugas R. von rund dreieinhalb Jahren. Nach kurzer Rücksprache mit ihren Mandanten akzeptierten die Anwälte. Für Strafprozesse vor dem Landgericht eine sehr kurze Pokerrunde. Verlierer sind die Angeklagten. Aber das vorher schon klar. Insofern unterscheidet sich ein Prozess von einer Kartenpartie. Von Thomas Nagel