Hannover: Freispruch im Mordprozess um Brandleiche

Tragischer Unfalltod oder grausamer Mord? Die Verbrennung einer 57-jährigen Frau am 27. Juni 2020 in der Hoppenstedtstraße (Südstadt) wird nicht mehr aufgeklärt werden. Am Freitag wurde Ryszard B. (64) vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. „Wir können kein Tatgeschehen feststellen“, so der Vorsitzender Richter der Schwurgerichtskammer, Stefan Joseph. Es sei nicht einmal ein Tatmotiv erkennbar. Bei dem Opfer waren 55 Prozent der Körperoberfläche verbrannt. Einige Tage später ist sie ihren Verletzungen in der MHH erlegen. Fest steht: Die Frau war sehr betrunken. „Ein genauer Wert ließ sich nicht mehr feststellen. Es müssen aber deutlich mehr als zwei Promille Alkohol gewesen sein“, sagt Anwalt Pascal Ackermann. In der Wohnung fanden die Ermittler „altpolnischen Wodka“ (Trinkspiritus mit 95 Prozent Alkohol) und Brennspiritus. Wodurch die Frau in Brand geriet, konnte nicht mehr geklärt werden. Opfer belastete im Todeskampf Ex-Ehemann: Noch am Tatort hatte das Brandopfer dem Rettungsarzt auf polnisch gesagt: „Er wollte mich lebend verbrennen.“ Sie nannte dann einen Familiennamen, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem des Angeklagten hatte. Die Ermittler dachten deshalb schnell, dass er der Täter sei. Vor einer Woche stellte sich im Prozess heraus, dass sie den Namen ihres ersten Ehemannes sagte. Ein Ehemann, der sie geschlagen und das Haushaltsgeld versoffen hatte. Doch dieser Umstand spielte bei der Urteilsfindung keine Rolle mehr. Die Namensnennung hätte ohnehin nicht als alleiniges Belastungsindiz für eine Verurteilung gereicht, so der Richter. Denn es gab auch keine forensischen Spuren, die Ryszard B. belasteten. So konnten keine Verbrennungsspuren an seiner Kleidung oder seinem Körper festgestellt werden. Und er hatte völlig aufgelöst den Notarzt gerufen, als er das Unglück entdeckte. Die Staatsanwältin hatte eine Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe gefordert. Sie hielt es für möglich, dass der Angeklagte seine Freundin mit einem Zahnstocher in Brand gesetzt habe. Eine sehr gewagte These. Am Tatort wurde ein leicht angekohlter Zahnstocher gefunden. Gericht kann Unfalltod nicht ausschließen: Und überhaupt, welches Motiv sollte der Angeklagte gehabt haben? Nachbarn und auch die Söhne hatten von Gewalt in der Beziehung nichts gemerkt. Nur wenn beide getrunken hatten, gerieten sie in (verbalen) Streit. So auch am 27. Juni 2020. Der Angeklagte sagte seiner Freundin, dass er doch lieber seine Freiheit wolle und keine intime Beziehung. Darüber sei die Frau in Wut geraten, so der Angeklagte. Letztendlich konnte die Kammer auch einen tragischen Unfalltod der 57-Jährigen nicht ausschließen. „Mein Mandant ist sehr erleichtert über den Freispruch“, sagte sein Verteidiger Ackermann. Für die erlittene Untersuchungshaft werde B. entschädigt. Das dürfte eine Summe von rund 17.000 Euro sein. Lesen Sie auch Hannover: Freispruch im Brandmord? Hannover: Angeklagter bestreitet Freundin angezündet zu haben Hannover: Frau angezündet – Beschuldigter (64) psychiatrisch krank? Von Thomas Nagel und Ebbe Lykke