Hannover: Drei Bunker unter Denkmalschutz

88 Angriffe flogen die alliierten Bomberverbände im Zweiten Weltkrieg auf Hannover, warfen dabei 1.783.612 Brand- und 30.333 Sprengbomben ab. 6782 Menschen fielen diesen zum Opfer. Schutz sollten unter anderem 58 Bunkeranlagen bieten, die die Stadt bis Kriegsende bauen ließ. Die meisten der Betonkolosse haben bisher den Krieg überdauert. Und einige sollen langfristig als Denkmal erhalten bleiben. Das Landesamt für Denkmalpflege hat den Bestand der Hochbunker intensiv von einer Fachfirma untersuchen lassen – und mittlerweile drei von ihnen unter Schutz gestellt. Bei Kriegsbeginn war Hannover auf Bombenangriffe kaum vorbereitet. Die Planungen begannen erst nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939. Die Fäden dafür liefen im Bauamt zusammen, das damals Karl Elkart leitete. Elkart und seine Mitarbeiter versuchten anfangs beim Bau der Bunker noch ein Mindestmaß an architektonischen Ansprüchen aufrecht zu erhalten und diese – so gut es ging – in das Stadtbild zu integrieren. Frühe Baureihe hatte Schlösser und Burgen zum Vorbild: Die frühe Baureihe H (für „Haus“ oder „Hannover“), die vor allem in den Jahren 1941 und 1942 verwirklicht wurde, hatte aus Betonwerkstein gefertigte bogenförmige Portale, die Ecken wurden mit Quadern hervorgehoben, Sockel- und Traufgesims ebenfalls mit Betonwerkstein gestaltet, die Fassade verputzt. Sogar Zeltdächer bekamen die Bunker aufgesetzt. Allerdings nicht nur wegen der Optik. Sie dienten vor allem der Tarnung und sollten die Betonbauten für die alliierten Flieger von oben wie normale Häuser aussehen lassen. Als Vorbild der Bunker bei der Gestaltung dienten unter anderem mittelalterliche Burgen. Einige wurden sogar aufwendig mit Klinker verkleidet. Ein Untertyp dieser Bauserie erinnerte mit seinem Satteldach und Treppenturm sogar an einflügelige ländliche Renaissanceschlösser. Die Baureihe H ist der mit 28 Exemplaren in Hannover am häufigsten erhaltene Typ. Aus den Jahren 194o und 1941 stammte das Rundbunkermodell R, das an mittelalterliche Stadt- und Burgtürme erinnerte. Vier davon wurden verwirklicht, unter anderem am Deisterplatz. Der Bunker dort wurde bereits 1987 unter Denkmalschutz gestellt und damit lange vor der vom Landesamt für Denkmalpflege bei den Experten des Büros Sum Momentum in Auftrag gegebenen Hannover-Untersuchung. Weil die Bunker der Reihe R jedoch dazu neigten, bei Bombenangriffen zu schwingen und die Form auch für die Erschließung ungünstig war, sah die Stadt sehr bald von dem Bau weiterer Exemplare ab. Das gilt auch für die Tiefbunker wie dem unter dem Hauptbahnhof oder unter dem Klagesmarkt, die zu teuer und kompliziert im Bau waren. Materialknappheit: Bunker werden größer und einfacher: Die heftiger werdenden Bombenangriffe ab 1941 sowie die zunehmende Materialknappheit zwangen die Verantwortlichen ohnehin zu einem Umdenken. Die Großbunker der Baureihen B und C, die ab 1942 gebaut wurden, sollten möglichst vielen Menschen Platz bieten, um so möglichst wenig kostbaren Stahlbeton pro Person zu verbrauchen. Wo Verzierungen an den Gebäuden geplant waren, kamen diese in der Regel nicht mehr zum Einsatz. Auch auf den Aufbau von Dächern wurde meist verzichtet. 44 Bunker hat das Büro Sum Momentum untersucht. Die meisten davon hält das Land allerdings nicht für erhaltenswert. Von der häufigen Baureihe H haben die meisten Objekte gar keine Steildächer mehr. Dadurch fehle „eine wesentliche geschichtliche Aussage zur Architektur, städtebaulichen Einbindung und Tarnungsabsicht“, erklärt Tobias Wulf, Sprecher des Landesamtes für Denkmalpflege. Eine Ausnahme bildet der Bunker an der Woermannstraße in Badenstedt, der mittlerweile unter Schutz gestellt wurde. Atombunker aus dem Kalten Krieg soll bleiben: Nahezu pauschal wurden die Großbunker der Reihen B und C denkmalfachlich negativ beurteilt. Deren gewaltige Bauvolumen wiesen „nur einen minimalen Zeugniswert in baugeschichtlicher oder städtebaulicher Bedeutung auf“, so Wulf. Eine Ausnahme bildet der Bunker an der Torstenssohnstraße in Oberricklingen, der einen besonderen Hintergrund hat. Dieser wurde im Kalten Krieg für viel Geld zu einem atombombensicheren Bunker umgebaut. Er ist mit Inventar fast vollständig erhalten. Der Verein „Vorbei e.V.“ betreibt darin mittlerweile ein Museum. Für zwei weitere Bunker sind laut Landesamt „noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen“. Dass sich dieses des Themas angenommen hat, liegt auch daran, dass es zuletzt immer häufiger zu Verkäufen, Abriss oder Umbauten von Bunkern in Hannover gekommen ist. Jahrzehntelang lohnte sich das nicht. Die gestiegenen Immobilienpreise sowie neue Techniken wie das Diamantsägeverfahren, mit dem sich leichter selbst dicke Stahlbetonblöcke herausschneiden lassen, haben jedoch für Bewegung gesorgt. Im Zooviertel an der Lönsstraße sowie am Herrenhäuser Markt wurden zwei Großbunker gleich ganz abgerissen. An ihrer Stelle sind neue Wohnungen entstanden. Die Bunker, die jetzt dauerhaft erhalten bleiben sollen, sollen „als authentische Objekte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs Zeugnis ablegen“, sagt Sprecher Wulf. Bei der Auswahl sei die Messlatte allerdings bewusst hoch gelegt worden. Lesen Sie auch Hannovers Unterwelten: Der Atomschutzbunker in Oberricklingen Hannover: Landesamt lässt Weltkriegsbunker untersuchen Deutsche Bahn übernimmt Hauptbahnhof-Bunker Das Bunker-Geschäft boomt in Hannover Von Christian Bohnenkamp