German Property Group: Opfer aus Niedersachsen verliert 215.500 Euro

Im Immobilien-Skandal um das Langenhagener Firmengeflecht der German Property Group und der Red Rock Gruppe werden immer weitere Details bekannt. Die Staatsanwaltschaft hatte bei den Durchsuchungen am 1. März rund 4000 Akten beschlagnahmt, die nun durchgearbeitet werden müssen. Allerdings sind auch Vorwürfe gegen die Behörde laut geworden. Nach Ansicht des Gutachters im Insolvenzantragsverfahren gegen die Unternehmensgruppe, Prof. Gerrit Hölzle, hat die Behörde mit der Beweissicherung zu lange gewartet. Das geht aus dem Schlussgutachten des Sachverständigen hervor, das der NP vorliegt. Vermutlich auch deshalb seien viele möglicherweise belastende Dokumente nicht mehr auffindbar. Hölzle war allerdings nur vorläufiger Insolvenzverwalter gewesen, und wurde nicht als solcher bestellt. Hinter den Kulissen hatte es einen Riesenärger gegeben, den er als vom Firmengründer Charles Smethurst gesteuerte Kampagne bewertete. Allerdings war Hölzle offenbar zuvor auch als Berater Smethursts tätig gewesen, was ein weiteres diffuses Licht auf die gesamte Affäre wirft. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls sieht sich von den Vorwürfen überrascht, da sie laut Sprecher Oliver Eisenhauer gar keine rechtliche Handhabe für eine frühere Sicherstellung der Unterlagen gehabt hätte. „Mit dem aktuellen Insolvenzverwalter arbeiten wir sehr gut zusammen.“ Doch auch Opfer des undurchsichtigen Finanzierungsgeflechts, die vorwiegend aus Großbritannien, Irland und Asien stammen, teilen den Vorwurf des zögerlichen Handelns der deutschen Behörden und vermuten, dass dies auch daran liegen könnte, dass es eben keine Deutschen unter den Geschädigten gibt. Doch zumindest einer von ihnen lebt in Deutschland. Richard Jagerman ist Holländer, wohnt aber seit 2016 mit seiner Frau als Rentner in einer Kleinstadt in Niedersachsen. Im Vertrauen auf das deutsche System der Einlagensicherung hatte er bei der damals noch als Dolphin Trust firmierenden Gruppe investiert. Nun sieht er sich um seine Einlagen betrogen. Da auch bei ihm Zweifel an der Effektivität der hiesigen Behörden aufgekommen sind, hat er in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel um Hilfe gebeten. Offener Brief an Merkel: „Ich habe lange Jahre in Phuket in Thailand gearbeitet“ erzählt er. „Als ich 2014 in Ruhestand ging, erhielt ich von meiner Firma 365.000 US-Dollar (knapp 310.000 Euro) als Pension. Ich entschloss mich, zu investieren, um regelmäßig Erlöse zu erhalten.“ Einer seiner Freunde war Finanzberater. Der hatte von dem attraktiven Anlagemodell aus Deutschland gehört. Hier gab es für Investitionen in die Sanierung denkmalgeschützter Immobilien satte Steuerersparnisse, womit insbesondere Anreize zur Rettung maroder Baudenkmäler im Osten des Landes geschaffen werden sollten. Aber auch in den westlichen Bundesländern wurde dies häufig ausgenutzt, in Hannover etwa beim Verkauf einer Wohnanlage der Genossenschaft Gartenheim im Bereich rund um die Straße Im Kreuzkampe (List) an den Kölner Entwickler Vivacon, der aus den ehemaligen Genossenschaftswohnungen Eigentumswohnungen machte und mit entsprechendem Steuervorteil verkaufte. Steuervorteil beim Denkmalschutz: Anleger in derartige Entwicklungsgesellschaften wurden mit hohen Renditen im zweistelligen Bereich gelockt. Das Geschäft funktionierte auf dem Papier im Prinzip ganz einfach: Die Investoren liehen dem Projektentwickler das benötigte Kapital, um aus der Schrottimmobilie eine Luxuswohnanlage zu machen. Die Käufer der Wohnungen zahlten einen relativ hohen Preis, den sie wegen der Denkmalschutzabschreibung teilweise steuerlich geltend machen konnten. Das wiederum ermöglichte dem Entwickler, den Geldgebern entsprechend hohe Zinsen auszuzahlen. In der Praxis wurde das System jedoch kaum noch durchschaubar, auch, da für jedes Projekt eine eigene Zweckgesellschaft gegründet wurde und Gelder offenbar hin und her geschoben wurden. Der genaue Verlauf der Finanzflüsse ist bis heute nicht nachvollzogen. Tatsächlich saniert wurde darüberhinaus offenbar nur in seltenen Fällen. Lesen Sie auch Durchsuchungen im Fall der German Property Group in Hannover und Sachsen Hannover: Firma German Property Group betrügt Anleger weltweit Betrug bei deutscher Immobilien-Firma: Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt Marco Brunotte besucht die Firma Dolphin Trust in Langenhagen Doch auch Richard Jagerman hatte Vertrauen in das System und steckte 2014 zunächst 100.000 US-Dollar (knapp 85.000 Euro) in das Modell, für fünf Jahre festgelegt mit zweimaligen Zinsausschüttungen pro Jahr. Und das funktionierte anfangs sogar. „Nachdem ich 2015 die Zinsen ausgezahlt bekommen hatte, investierte ich erneut und ein Jahr später ein weiteres Mal.“ Insgesamt legte Jagerman so 370.000 US-Dollar (314.000 Euro) an, quasi seine gesamte Pensionssumme. Heute vermutet er, dass der zunächst erfolgreich erscheinende Start nur der Köder für weitere Investitionen und Anleger war. Nie gesehen, wo das Geld hinfloss: „Ich habe zwar nie gesehen, wofür mein Geld verwendet wurde“, berichtet er. „Das hat mich schon etwas enttäuscht. Aber ich habe mir nicht viele Gedanken darüber gemacht. Ich weiß ja, dass die Deutschen ihre Denkmäler lieben.“ Ein Glaube, der solange anhielt, bis der Geldfluss plötzlich stoppte. Dabei hatte es Vorboten gegeben. Ein paar Mal waren die versprochenen Zinszahlungen erst eingegangen, nachdem Jagerman in etlichen E-Mails auf den Putz gehauen hatte. „Die müssen das Geld dann irgendwo anders hergeholt haben“, vermutet er heute, nachdem das System kollabiert ist. Damals hatte er sich noch beschwichtigen lassen. Auch noch, als 2019 alle Zahlungen eingestellt wurden, und die GPG dies auf Schwierigkeiten mit der deutschen Regulierung zu begründen versucht habe. Sie kündigte eine Zahlungsverspätung von drei Monaten an. Die gesamten Einlagen sind verloren: „Die letzte Zahlung habe ich im Juni 2019 bekommen“, so Jagerman. „Danach nichts mehr.“ Auch von dem 2014 eingebrachten Kapital, dessen Rückzahlung vertragsgemäß 2019 hätte erfolgen sollen, sah er nichts mehr. Ebenso wenig von seinen anderen Einlagen. Jagermann hat zwar in den fünfeinhalb Jahren seines Investments insgesamt etwa 116.000 US-Dollar (98.500 Euro) an Zinsen erhalten, bei einer Gesamtinvestition von 370.000 US-Dollar hat er aber statt des erwarteten Gewinns mehr als zwei Drittel seiner Pension verloren: 254.000 US-Dollar (215.500 Euro). Auch wenn Jagerman möglicherweise der einzige Geschädigte ist, der in Deutschland lebt, ist er nicht allein. In England haben sich mehr als 2000 Gläubiger zur GPG Creditors Association zusammengeschlossen, die zusammen mehr als 200 Millionen Euro verloren haben. Auch von deren Seite werden schwere Vorwürfe gegen die Behörden erhoben: Das deutsche Regierungssystem sowie die Finanz- und Justizbehörden hätten die Gläubiger schwer im Stich gelassen, klagt der Vorsitzende dieser Gruppe, Mark Hambling, in einem Offenen Brief an den zuständigen Staatsanwalt in Hannover, der der NP vorliegt. Trotz der Durchsuchungen im März sei nichts passiert, „das uns von der Ansicht abhält, das Deutschland es versäumt hat, sich wie ein modernes, gut regiertes und zuverlässiges europäisches Land zu verhalten“, steht dort. Nationale Eigenschaften mithin, in welche die ausländischen Investoren ihr Vertrauen gesetzt hatten. Staatsanwaltschaft sieht keine Haftgründe: Die Opfer des Immobilienskandals gehen davon aus, dass die Firmengruppe um deren Gründer Charles Smethurst in betrügerischer Absicht gehandelt habe. Smethurst habe dies selbst in einer Erklärung seines Anwalts zugegeben, behauptet Hambling. Daher sei es auch unverständlich, wieso der ehemalige Chef der Unternehmensgruppe nicht verhaftet worden sei. Aus Sicht der Gläubiger besteht offenbar Fluchtgefahr, zumal sich Smethursts Frau laut Hambling bereits in die Türkei abgesetzt habe. Für die Staatsanwaltschaft gebe es indes nicht genügend Haftgründe, betonte Behördensprecher Oliver Eisenhauer auf Anfrage der NP. „Das wären Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr“, erklärte er. „Dazu hat der Gesetzgeber klare Kriterien entwickelt, die in diesem Fall nicht gegeben sind.“ Denn auch von einer Fluchtgefahr Smethursts sei nicht auszugehen, da er sich kooperativ zeige, hier einen festen Wohnsitz sowie Sozialkontakte und auch seinen Pass hinterlegt habe. Von Andreas Krasselt