Falsch gerechnet: Steigen bei MHH-Neubau private Geldgeber ein?

„Den Neubau der Medizinischen Hochschule Hannover haben sich einige schön gerechnet.“ Verdi-Landeschef Detlef Ahting kritisiert Landesregierung und Politik. Laut Landesrechnungshof (LRH) liegen die Kosten für die Großprojekte MHH in Hannover und die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) bei sieben Milliarden Euro. Bisher ist für beide Projekte ein „Sondervermögen“ vorgesehen, das bis 2035 auf 2,1 Milliarden Euro angespart werden soll. „Die finanzielle Konzeption, die sie jetzt haben, reicht nur, um ein Drittel der Kliniken zu bauen“, wirft der LRH-Senator Hermann Palm Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) und der Landesregierung vor. Die Nachricht war ein Schock. Zumal beim geplanten Neubau der Uni-Klinik in Göttingen Fehler bei der Ausschreibung für ein Bettenhaus und einen OP-Saal passiert sind. Das Vergabeverfahren muss gestoppt werden, eine neue Ausschreibung beginnt. Dem Mammutprojekt droht eine „sechs- bis neunmonatige Verzögerung“, so die Planer. Nur auf den ersten Blick sieht die angedachte Zukunft der MHH besser aus. Die Masterplanung für die Sanierung steht. Investitionen, Erstausstattung und ein „Risikopuffer“ von 50 Prozent liegen bei 2,6 Milliarden Euro. Das übersteigt bereits die angepeilte Summe für beide Großprojekte – und dürfte noch immer nicht reichen. Bislang nur 800 von 1600 Betten finanziert: Quadratmeterbedarf und Kosten sind in einer Schätzung pauschal umrissen worden. Laut Finanzminister Reinhold Hilbers gilt das „Sondervermögen“ von 2,1 Milliarden Euro allein für die Krankenversorgung, Bauten für Forschung und Lehre seien nicht mit einbezogen. Von den im Masterplan vorgesehenen 1600 Betten sind bislang nur 800 finanziert. „Offenbar hat die Landesregierung wunderbare Möglichkeiten der Geldvermehrung entdeckt“, spöttelt Verdi-Landeschef Detlef Ahting über die Zuversicht trotz aller Pannen und Rechenfehler. Tatsächlich ist im Landtag Hoffnung aufgekeimt. Private Investoren sollen einsteigen und die Mammutprojekte mitfinanzieren. Ahting: „Diese Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) ist mit uns nicht zu machen. Wir werden zum Sturm dagegen aufrufen.“ Lesen Sie auch: Thümler zur MHH: Potenzial zur Verbesserung In allzu schlechter Erinnerung sind dem Gewerkschafter große Ideen des damaligen Bundesverkehrsministers Sigmar Gabriel. Der hatte beim Autobahnbau für die Beteiligung privater Geldgeber geworben – mit fatalen Folgen. Laut Gutachten war die ÖPP-Variante beim Ausbau der A1 nicht 40 Prozent günstiger als die konventionelle Finanzierung, sondern fast 28 Prozent teurer. Beim Ausbau der A4 an der Landesgrenze von Hessen nach Thüringen kam statt des Kostenvorteils von knapp 32 Prozent eine Mehrbelastung von 12,4 Prozent heraus. Renditeerwartung macht 57 Millionen Euro jährlich aus: „Investoren erwarten Rendite – und zwar um die sechs Prozent“, sagt Ahting. Bei einer Finanzspritze von einer Milliarde Euro und sechs Prozent Rendite komme eine jährliche Belastung von 57 Millionen Euro heraus. „Das Geld kann man sich sparen.“ Er kritisiert zudem: „Die Verträge sind meistens streng geheim – nicht öffentlich einsehbar.“ „Auf dem Kapitalmarkt lässt sich Geld viel günstiger aufnehmen“, so Ahting. Die Landesregierung und die Politik dürften sich die öffentliche Kontrolle des Gesundheitssystems nicht durch private Geldgeber aus der Hand nehmen lassen. „Da geht es schließlich um zwei Leuchtturmprojekte der Medizin und keine Bäckerbude um die Ecke.“ Lesen Sie auch: MHH arbeitet an größter Corona-Studie mit Anders als der Gewerkschafter wirbt der Landesrechnungshof massiv um private Geldgeber. Dem Haushaltsausschuss hat das Palm so erklärt: „Nach dem bisherigen Haushaltsansatz dauert es eine Generation, bis wir in Hannover und Göttingen jeweils ein Drittel einer Klinik geschaffen haben – während der vorhandene Altbestand dann vermutlich gar nicht mehr betrieben werden kann oder darf.“ Ahting sagt dazu: „Bei beiden Großprojekten lässt sich eine Verzögerung wohl nicht mehr umgehen. Trotzdem warne ich vor dem Schritt. Die öffentliche Infrastruktur darf nicht privatisiert werden. Bildung, Gesundheit, Wohnen und Mobilität sind keine Waren, sondern Voraussetzung für ein sozial gesichertes Leben.“ Von Vera König