Fahrschulen wieder dicht: Verband ärgert sich über „Fachchinesisch“ in der Verordnung

Man sollte meinen, dass Fahrlehrer schon Berufs wegen immer genau wissen, wo es langgeht. Aber in den Tiefen der neuen Corona-Verordnung hat sich tagelang eine ganze Branche verirrt. Diese schreibt zwar seit Montag ein sofortiges Verbot für praktische Fahrstunden vor. Die Formulierung wurde allerdings so unglücklich gewählt, dass neben den Juristen des niedersächsischen Fahrlehrerverbands sogar das Wirtschaftsministerium tagelang darüber rätselte, was denn nun gilt. Erst am Dienstagmittag bekam Verbandspräsident Dieter Quentin die Bestätigung vom Sozialministerium, dass Fahrschulen dichtmachen müssen. „Da stand bei den ersten Kollegen bereits das Ordnungsamt vor der Tür“, sagt er empört. Quentin ist bedient. „Diese Verordnung ist handwerklich ganz schlecht gemacht“, schimpft er. Als der Präsident des Fahrlehrerverbands am Freitagabend die Neufassung der Landesverordnung erstmals zu lesen bekam, machte ihn eine Passage stutzig. Es geht um den Paragrafen 14a, der bereits in der vorigen Fassung jeglichen Präsenzunterricht in der außerschulischen Bildung untersagte. Davon sind neben Musikschulen oder Volkshochschulen auch Fahrschulen betroffen – obwohl Letztere gar nicht ausdrücklich genannt sind. Wenn „Präsenzunterricht“ zum „aufsuchenden Unterricht“ wird: Die Fahrstunden jedoch galten bislang nicht als Präsenzunterricht, weshalb sie weiterhin erlaubt waren. „Der Paragraf wurde in der neuen Fassung genau so übernommen“, sagt Quentin. Der kleine und zugleich große Unterschied versteckte sich im Begründungstext der für Nichtjuristen nicht immer leicht zu verstehenden Verordnung. Dort war statt vom „Präsenzunterricht“ plötzlich vom „aufsuchenden Unterricht“ die Rede. Unsicher, was damit nun genau gemeint sei, wandte sich Quentin noch am Freitagabend an seine Juristen.„Die konnte mit der Formulierung auch nichts anfangen, deshalb haben wir uns an das Wirtschaftsministerium gewandt, weil das normalerweise für die Belange von Fahrschulen zuständig ist“, erklärt er. Auch dort war man sich unsicher, schließlich wurde das für die Verordnung verantwortliche Sozialministerium zu einer klärenden Stellungnahme aufgefordert. Am Sonntag war Quentin immer noch nicht schlauer. Was sollte er den verunsicherten Mitgliedern am Montag raten? „Ich kann die doch nicht in ein Bußgeldverfahren laufen lassen. Wenn ich etwas sage, muss das auch stimmen“, betont der Präsident, der in seiner Not schließlich die Corona-Hotline anrief. Dort bekam er gleich zweimal die klare Aussage: Fahrstunden sind erlaubt. Reaktionen unter Fahrlehrern geteilt: Eigentlich alles klar, am Montag waren auch in Hannover Fahrschulautos unterwegs. Doch am Dienstag kam die Antwort aus dem Sozialministerium – stimmt so nicht, Fahrstunden sind bis auf Weiteres verboten. Lesen Sie auch Bremen: Friseure dürfen trotz Corona Hausbesuche machen Corona in Hannover und Niedersachsen: Die aktuelle Zahl der Infizierten, Stand heute, 27.01.2021 Neue Corona-Verordnung: Diese Regeln gelten jetzt in Niedersachsen? Die Entscheidung an sich, kann Quentin so akzeptieren. Unter den Fahrlehrern sei das Echo geteilt. Einige seien froh. Sie hätten Sorge gehabt, sich anzustecken. Andere hätten lieber weitergearbeitet. Nicht jedem würden 70 Prozent Kurzarbeitergeld reichen. Es gibt auch wieder Ausnahmen: Was Quentin dagegen aufregt, ist die Art und Weise. „Eine Verordnung mit so weitreichenden Folgen, vollgepackt mit Fachchinesisch, an einem Freitagabend zu veröffentlichen und dann zu erwarten, dass am Montag alles läuft. Das ist gegenüber einer ganzen Branche eine Unverschämtheit“, schimpft er. Bis auf weiteres bleiben die Fahrschulen jedenfalls dicht – mindestens bis zum Ende der laufenden Verordnung am 14. Februar. Theoriestunden sind allenfalls noch digital per Videokonferenz möglich, sofern die technische Ausstattung es zulässt. Und Ausnahmen von der Regel gibt es wie so oft natürlich trotzdem: Für die Ausbildung von Berufskraftfahrern sind Fahrstunden weiterhin erlaubt. Gleiches gilt, wenn ein Führerschein Voraussetzung im Job ist. Von André Pichiri