Corona-Gutscheine: Beschwerdeflut gegen Fitnessstudios

Immer mehr Ärger mit Fitnessstudios: Nach Erkenntnissen der Verbraucherzentrale (VZ) Niedersachsen in Hannover versuchen viele der wegen des Lockdowns geschlossenen Studios ihren Kunden, gerne Mitglieder genannt, das Recht auf Beitragsaussetzung oder Erstattung streitig zu machen – meist zu Unrecht. Und ausgestellte Gutscheine entsprächen oft nicht den gesetzlichen Vorgaben. In den ersten drei Januarwochen sind laut VZ fast 200 Anfragen und Beschwerden in Sachen Fitnessstudios und deren Schließung wegen der Corona-Pandemie eingegangen – im gesamten Vorjahr seien es im „Spitzenmonat“ 134 gewesen. Musterbriefe der Verbraucherzentrale sind gefragt: Rund 3000-mal seien in diesen Wochen die entsprechenden Musterbriefe heruntergeladen worden (Vorjahr gesamt: 6700-mal). Der entsprechende Artikel auf der VZ-Internetseite sei 9500-mal aufgerufen worden (Vorjahr gesamt: 25.000-mal). Ausgestellte Gutscheine entsprächen nicht den gesetzlichen Vorgaben, Verträge würden unzulässig um die Schließzeiten verlängert. Dabei beriefen sich viele Fitnessstudios auf Gerichtsurteile – die nach Ansicht der Verbraucherzentrale in den meisten Fällen jedoch nicht passen. Die Kunden sollten daher an ihren Forderungen festhalten und sich nicht einschüchtern lassen. Ein Beispielfall aus Hildesheim: Ein aktueller Fall zeige, womit viele Kunden zurzeit zu kämpfen haben: Einem Fitnessstudio wurde die Kontoeinzugsermächtigung entzogen und um Rückerstattung der Beiträge für die Schließmonate gebeten. Die Easy Fitness Hildesheim GmbH verweigert dies und erklärt, der Vertrag werde sich um alle nicht bezahlten Monate verlängern. Easy Fitness beruft sie sich auf Urteile des Amtsgerichts Torgau und des Landgerichts Würzburg. Gerichtsurteile passen nicht: „Diese Argumentation erleben wir zurzeit oft, die Verweise auf die Gerichtsurteile sind aber meist unpassend“, sagt Tiana Preuschoff, Rechtsexpertin der VZ. So habe das Amtsgericht Torgau in einem Fall entschieden, bei dem vertraglich eine Ruhezeit vereinbart war. „Dies trifft jedoch auf die wenigsten Verbraucher zu, da eine solche Vereinbarung stets individuell getroffen wird“, sagt Preuschoff. Das Urteil des Landgerichts betreffe wettbewerbsrechtliche Fragen, bewerte die einseitige Vertragsverlängerung nur nebenbei – mit Hinweis auf die unklare Rechtslage. „Wir sind überzeugt, dass die aktuelle Handhabe der Fitnessstudios rechtswidrig ist“, erklärt Preuschoff. Die Rechtsexpertin der VZ findet es „ärgerlich, dass Kunden – trotz der bestehenden Gutscheinlösung – so große Probleme haben, ihre Rechte durchzusetzen “, sagt Preuschoff. Sie rät Betroffenen, sich gut zu informieren und sich auch von angedrohten Mahnverfahren nicht verunsichern zu lassen: „Da Anbieter aus unserer Sicht während der Schließzeit keinen Anspruch auf Beitragszahlungen haben, können sie auch keine Mahn- oder Inkassokosten verlangen.“ Gutscheine müssen Anforderungen erfüllen: Studiobetreiber haben dabei ein Wahlrecht – Kunden müssen Gutscheine akzeptieren, sofern sie die Anforderungen erfüllen, erklärt Preuschoff. Es müsse klar hervorgehen, dass der Gutschein wegen der Covid-19-Pandemie erstellt wurde. Kosten für die Ausstellung oder Übersendung dürften nicht berechnet werden. Wird ein Gutschein als Leistungsausgleich ausgestellt, muss es sich zudem um einen Wertgutschein handeln, der beliebig nutzbar ist: „Das Fitnessstudio darf dem Verbraucher nicht vorgeben, zu welchem Zeitpunkt er den Gutschein einlösen kann oder für welchen Zweck.“ Auch die Verrechnung mit laufenden Beiträgen ist möglich. Häufig werde der Eindruck vermittelt, Gutscheine könnten erst nach Ende der Vertragslaufzeit oder nur für bestimmte Angebote eingelöst werden – das ist nicht zulässig. Anspruch aus Auszahlung ab 2022: Wird der Gutschein bis Ende 2021 nicht eingelöst, haben die Kunden einen Anspruch auf Auszahlung des Betrages. Ein Gutschein muss nicht angenommen werden, wenn dies wegen persönlicher Lebensumstände unzumutbar ist – etwa wegen eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Dann kann auf Sofortauszahlung bestanden werden. Lesen Sie auch Fitnesstipps für den Corona-Lockdown: Yoga für die Wirbelsäule Verstoß gegen Quarantäne: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Göttinger Corona-„Superspreader“ im Fitnessstudio: Welche Alternativen es gibt Von Ralph Hübner