Bewegungseinschränkung in Hotspots: Das gilt bei der 15-Kilometer-Regel

Neben noch strengeren Kontaktregeln ist die Einschränkung der Bewegungsfreiheit ab einem Inzidenzwert von 200 das wohl einschneidendste Instrument der neuen Corona-Verordnung. Ein scharfes Schwert, das das Land allerdings ausdrücklich den Kommunen in die Hand gedrückt hat. So muss für Hannover und das Umland im Ernstfall die Region entscheiden, ob ihre fast 1,2 Millionen Einwohner sich nur noch in einem 15-Kilometer-Radius von zu Hause wegbewegen dürfen. In zwei entscheidenden Punkten weicht Niedersachsen in seiner Verordnung von der durch Bund und Länder vereinbarten Regelung ab. Die für Corona-Hotspots vorgesehene Bewegungseinschränkung soll auf einen Radius von 15 Kilometern um den Wohnsitz gelten. Gemeint ist die gemeldete Adresse und nicht die Gemeindegrenze, wie es nach dem Gipfel am Dienstag zunächst hieß. „Wir haben uns da anders entschieden“, sagte Anke Pörksen, Sprecherin der Landesregierung. Das hätte den Vorteil, dass Stadt- und Landbevölkerung so gleich behandelt werden. Ansonsten wären etwa die Menschen aus Hannoveraner gegenüber den Einwohnern kleinerer Kommunen bevorzugt gewesen. Von der eigenen Wohnung aus seien 15 Kilometer ohnehin besser überprüfbar, auch für die Einwohner selbst. Kein Automatismus ab der 200er-Marke: Außerdem überträgt Niedersachsen – anders als andere Länder – die Entscheidung über die Anwendung der Regel den Kommunen. „Es gibt keinen Automatismus“ betonte Pörksen. Stattdessen müsste die Region Hannover bei einer Überschreitung der 200er-Marke selbst prüfen, ob die Maßnahme verhältnismäßig und geeignet ist. Liegt eine flächendeckende Infektionsgefahr vor, oder kann der Ausbruch sehr lokal auf zum Beispiel ein einzelnes Pflegeheim eingegrenzt werden? Trifft Letzteres zu, müsse deshalb nicht gleich die ganze Region unter eine so strenge Auflage gestellt werden. Aber: Sobald diese angeordnet wird, kann es für Ausreißer teuer werden. „Vielleicht nicht, wenn man einen Kilometer drüber ist. Aber bei eklatanten oder wiederholten Verstößen kann ein Bußgeld verhängt werden“, so Pörksen. Auch Ausnahmeregelungen sind möglich - etwa falls der nächste Supermarkt außerhalb des 15-Kilometer-Radius liegt. „Es mag Regionen geben, wo das der Fall ist. Solche Ausnahmen müssen die zuständigen Kommunen einbeziehen. Die Versorgungssituation muss immer gewährleistet sein“, sagte Claudia Schröder, stellvertretende Leiterin des Corona Krisenstabs. Zusätzlich seien Ausnahmen für bestimmte Personengruppen vorgesehen: Dazu zählen notwendige medizinische, psychosoziale oder veterinärmedizinische Behandlung, aber auch die Wahrnehmung einer beruflichen Tätigkeit. Auch nahe Angehörige können besucht werden, wenn diese von Behinderung betroffen oder pflegebedürftig sind. Lesen Sie auch Corona-Regeln in Niedersachsen: Krisenstab stellt neue Landesverordnung vor Corona in Hannover und Niedersachsen: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Hannover: Homeoffice plus Kinderbetreuung - Experte gibt Tipps Wie geht die Region mit dieser Verantwortung um, im Ernstfall selbst über die Bewegungsfreiheit der Einwohner entscheiden zu müssen? Regionssprecherin Christian Kreutz betonte auf NP-Nachfrage, es sei „hochgradig sinnvoll“, dass die Maßnahmen „situativ und nicht pauschal“ verordnet werden. „Auch bisher bestand für die Region die Möglichkeit, zusätzliche Maßnahmen einzuführen, wenn sie zielführend und geeignet sind, das Infektionsgeschehen einzudämmen.“ Dazu gehöre auch die Festlegung eines Bewegungsradius. Wie eine so einschneidende Auflage allerdings juristisch einzuschätzen ist, ließ die Region am Freitag offen. Auch auf die Frage, wie die Einhaltung der Regel kontrolliert werden soll, gab es noch keine Antwort. Laut Landesgesundheitsamt lag der Inzidenzwert der Region am Freitag (Stand 9 Uhr) bei 121,9. Von André Pichiri