Thomas F. Göing führt Bäckerei Göing in Hannover in vierter Generation

Wie so viele andere Menschen auch richtet Thomas F. Göing (42) seinen Fokus derzeit auf den erneuten Lockdown. Wobei: Der Geschäftsbetrieb seines Unternehmens ist nicht so heftig betroffen. Die angeschlossenen Cafés in den Filialen sind zwar vorübergehend nicht in Betrieb, der Verkauf von Brot, Brötchen, Kuchen und dem Käffchen to go läuft aber weiter. „Wir gehen damit jetzt viel, viel besser um als im Frühjahr“, sagt der 42-Jährige im Gespräch mit der NP. Gleich nach Bekanntgabe, dass es im November erneut zu Einschränkungen kommen werde, saß Göing mit seinem Führungsstab zusammen, es wurde gemanagt, was wann und wie umgesetzt werden muss. Die Stimmung sei gut, „ich kann mich nicht beschweren“. Während der Umsatz im März und April um bis zu 40 Prozent zurückgegangen war, seien die Zahlen jetzt „dem Umständen entsprechend voll im Soll“. Die Pandemie kann seine Ideen nicht aufhalten: Göing ist jedenfalls überzeugt: „Wir bekommen das gewuppt! Meine Team und ich sehen die Pandemie auch als Chance, um uns fachlich und menschlich weiterzuentwickeln.“ Er will seiner Verantwortung, Menschen täglich mit Backwaren zu versorgen, uneingeschränkt nachkommen. Seinen persönlichen Motor kann das Virus, das seit Monaten das Leben und den Alltag von Menschen weltweit bestimmt, nicht bremsen. Der Output an Ideen und deren Umsetzung läuft uneingeschränkt weiter. Ein kurzer Einblick, was aktuell in dem (beruflichen) Leben des Mannes, der seit 2014 das Familienunternehmen in vierter Generation führt, so anliegt: Gerade hat er drei neue biozertifizierte Produkte (zwei Brote, eine Brötchensorte) eingeführt. Der „Göing Stiftungsfonds“ stiftete dieses Jahr 14.000 Euro an diverse Einrichtungen, Anfang des Monats gingen 2000 Euro für eine Küche an das Kinderhaus „Spunk“ in der Nordstadt. Die Transformation seiner Firma ist ohnehin Dauerthema, ab 9. November stellt er in Bothfeld kostenlos eine Ladenfläche als PopUp-Store für Start-ups zur Verfügung. In Kooperation mit dem Netzwerk „KreHtiv“ machen hannoversche Designer den Anfang für die ersten sechs Wochen. „Junge Unternehmer haben so die Möglichkeit direkt mit dem Endverbraucher in Kontakt zu treten“, erläutert Göing das Konzept von „Freifläche“. Kontakt, Austausch, Kommunikation. Das sind die Grundgedanken, die sich wie ein roter Faden durch das Leben des 42-Jährigen ziehen. Und er macht sich für sein Team stark. Kunden, die in Zeiten von Corona die Maske verweigern, werden von den Mitarbeitern in den Filialen konsequent darauf hingewiesen – woraufhin diese teils drastisch beleidigt werden. Göing startete eine Kampagne bei Instagram. Es stört ihn, dass vermeintlich „einfache" Berufe in der Gesellschaft oft nicht wertgeschätzt werden. „Die Politik ordnet de Maskenpflicht an und die Verkäuferin vor Ort muss es dann umsetzen. Egal, wer da vor ihr steht." Sinnkrise zum 40. Geburtstag setzte viel in Gang: Vor etwa zwei Jahren erfolgte ein Sinneswandel bei Thomas F. Göing „Ich kam an einen Punkt, an dem ich mich fragte: Was mache ich hier eigentlich?“, resümiert der gelernte Bäcker im Gespräch auf der Terrasse eines seiner Geschäfte am Fiedelerplatz. Die Filiale in einem Eckhaus im Herzen der Südstadt gehört zu seinen Lieblingsobjekten. Diese Sinnkrise stand um seinen 40. Geburtstag an, zeitgleich entdeckte er das Thema Meditation für sich. Schon kurz darauf fand sich der Geschäftsmann bei einem Retreat, einer spirituellen Ruhepause, auf Bali wieder. Eine Erfahrung, die sein Leben verändern sollte, es bis heute noch tut. Bis tief in das Unternehmen hinein. „Ist doch klar: Wenn mit mir etwas passiert, dann hat das auch Auswirkungen auf das Geschäft.“ Die Folge: Thomas F. Göing begann mit der Transformation seiner Firma, die er 2014 von seinem Vater Friedrich (69) übernommen hatte. Ein Kulturwandel sollte her, alte Strukturen sollten aufgebrochen werden. Mit Teilen seines Teams besuchte er Kongresse zum Thema „Neue Arbeitswelt“, schaffte bisherige Hierarchien ab, schwor seine Belegschaft (330 Mitarbeiter) ein, sich einzubringen. Dafür lud er sie unter anderem ins Apollokino nach Linden ein, um sich „Die stille Revolution“ anzuschauen. Ein Film, der von mehr Menschlichkeit und Sinngebung im Arbeitsumfeld handelt. Statt Ressourcen auszunutzen, wird aufgezeigt, wie Potenziale entfaltet werden können. Göing will Team eigenständiger werden lassen: „Ich wollte zeigen, dass die Mitarbeiter bereits alles in sich tragen, um aktiv mitgestalten zu können,“, so Göing. Eine Agentur entwickelte eigens für seine Firma Strategien, wie Mitarbeiter an die Hand genommen und – ganz unabhängig vom Tätigkeitsfeld – ermutigt werden können, Entscheidungen zu treffen. Thomas F. Göing beobachtete in diesem Zusammenhang Aufbruchstimmung und Enthusiasmus auf der einen, auf der anderen Seite Unsicherheit und Zurückhaltung. *6. September 1978 in Bremen. Sein Vater Friedrich Göing ist dort bei der Bundeswehr stationiert. Die Familie zieht nach Hannover, als Thomas drei Jahre alt ist, und sein Vater ins Unternehmen des Vaters einsteigt. Er geht auf die Lutherschule, später auf die Ludwig-Windhorst-Schule, nach dem Realschulabschluss 1996 besucht er die Fachoberschule Wirtschaft. Ausbildung zum Bäcker in einer kleinen Konditorei in Hamburg. Seinen Zivildienst macht er im Jahr 2000 beim ASB, ehe er drei Jahre lang im väterlichen Betrieb anfängt – Schwerpunkt: Marketing und Verkauf. Nebenbei arbeitet er im „Café Caldo“ – „eine legendäre Zeit“. 2005 zieht es ihn nach Berlin, unter anderem ist er im Service des Nobelhotels „Adlon“ tätig. Nach vier Jahren kommt er zurück, steigt final als Verkaufsleiter bei „Göing“ ein, übernimmt die Firma im Jahr 2014. Thomas Göing liebt es, mit Freunden über die Gesellschaft und ihre Entwicklung zu philosophieren, außerdem Musik und Popkultur sowie Yoga. 2019 beendet er seine Ausbildung zum Kundalini-Yogalehrer. Sein Konzept fiel auf fruchtbaren Boden, große Teile des Kollegiums bringen sich mittlerweile ein. Jeder(r) auf seine Art. Beispiel: Ein Mitarbeiter machte ihn auf Defizite beim Bezahlen mit Karte aufmerksam, „wir haben nachgebessert“. Ein Angestellter mit tunesischen Wurzeln äußerte die Idee, eigene Pralinen ins Sortiment zu holen. „Ja klar, probier dich aus“, bot Thomas Göing ihm an. Die Teilchen mit orientalischem Touch werden demnächst in der Filiale an der Limmerstraße verkauft. Wenn er von solchen Begebenheiten erzählt, sieht man, wie sehr Göing für sein Tun brennt. Er hat seine (Lebens-)Aufgabe gefunden, nachdem er durchaus damit gehadert hatte, ins väterliche Unternehmen einzusteigen. Seitdem er es ganz unter seinen Fittichen hat, hat er eine Menge bewegt und verändert. Im März begann er aufgrund der Corona-Pandemie in regelmäßigen Abständen, Videos an seine Mitarbeiter zu schicken. „Ich habe gleich am Anfang geahnt, dass Corona keine Sache von drei, vier Woche sein wird“, so Göing. Video zu Grippeschutzimpfung war zu viel des Guten: Ausgerechnet in dem Jubiläumsjahr, die Firma besteht seit 100 Jahren, musste er zum Team auf Distanz gehen, sich digital an die Mitarbeiter wenden. „Themen waren neue Investitionen, neue Maschinen, neue Produkte im Sortiment, neue Projekte in Sachen Transformation“, zählt er seine Botschaften auf. Eins hat er im Zuge dessen auch angesprochen: die Grippeschutzimpfung. Und im Redefluss gesagt, dass er im Auge haben werde, wer dem nachkomme. Dass das zu viel des Guten war, weiß Thomas F. Göing. „Eine böse Absicht war das nicht, ich wollte unter rein gesundheitlichen Aspekten gehört werden“, beteuert er heute, will in dieser Hinsicht in Zukunft kleinere Brötchen backen. Einige seiner Angestellten sieht der Unternehmer in normalen Zeiten einmal die Woche im Sportoutfit: „Ich unterrichte Kundalini Yoga“, sagt er und lacht. Anstrengende Gedanken, ob privat oder beruflicher Art, loslassen, sich von schwierigen Situationen lösen, „im Hier und Jetzt sein“ – das vermittelt er auf der Matte. Meetings beginnt er seit 2019 sogar mit Atemmeditation, „Breathwork“ nennt der 42-Jährige den Fachjargon. Mit diesen Übungen startet Göing übrigens selbst in den Tag. Er genießt es, für sich zu sein („das kann ich unglaublich gut“). Das absolut Wertvollste nennt er Zeit, „Zeit zu haben zum Denken. Zum Nichtdenken. Zum Reflektieren.“ Das tut er gern an seinem zweiten Wohnort Berlin, er wohnt in Kreuzberg, pendelt zwischen den Städten. „Der Wechsel tut mir gut“, sagt der Unternehmer, „außerdem habe ich so immer einen guten Blick von außen auf das Unternehmen und Hannover.“ „Die Göings waren schon immer in Berlin unterwegs“: Hat er Berlin etwa lieber als Hannover? Das weist er von sich. „Das hat Tradition! Die Göings waren schon immer in Berlin unterwegs“, erklärt er energisch. Tatsache: Sein Ur-Großvater hat sich einst von einem Cousin, der eine Eisdiele im Nobelhotel „Adlon“ betrieben hat, 100.000 Reichsmark für die Gründung der Bäckerei Göing geliehen. Eine nachweislich gute Investition. Lesen Sie auch: Neustart in Hannover: Das hat Bäcker Jochen Gaues vor Tipps und Tricks: So gelingt Brotbacken zuhause Desens-Matuschack verkauft ihre Törtchen bei Galeria Kaufhof Hannover Von Mirjana Cvjetkovic