Star-Pianistin Luiza Borac: Sie gab Igor Levit Unterricht

Wenn die Konzerte vor Publikum ausfallen müssen, setzt sich Luiza Borac eben in ihrer Wohnung über dem Klavierhaus Döll an den Steinway-Flügel und spielt ein Video ein. Der Marktführer in Sachen Klavierbau hat in der Corona-Krise die Serie „Great Pianists at home“ (Berühmte Pianisten zu Hause) aufgelegt. „Das hat auch Spaß gemacht“, sagt Borac ganz pragmatisch. Schon im zarten Alter von vier Jahren wandte sich die kleine Luiza in ihrem Geburtsort in den rumänischen Karpaten der Musik zu. „Meine Eltern liebten klassische Musik, ohne Musiker zu sein“, erinnert sie sich, „unser Schallplattenspieler wurde für mich zum magischen Kasten“. Als sie fast fehlerfrei einmal gehörte Melodien auf dem Klavier nachspielen konnte, erkannten die Eltern das Talent. Nach drei Jahren ist die Klavierlehrerin am Ende: Vielleicht hatten sie es immer geahnt, denn bis dahin stand das Klavier ungenutzt in der Ecke. Die Eltern hatten es angeschafft, ohne das Klavierspielen auch nur im Ansatz zu beherrschen. Drei Jahre bekam Borac Privatunterricht, dann war die Lehrerin mit dem Latein am Ende. „Sie hat gesagt, sie könne mir leider nichts mehr beibringen“, sagt die Künstlerin. Mit neun Jahren musste Borac weg von zu Hause, auf ein Internat für Hochbegabte. „Das war schon eine harte Zeit damals“, erzählt sie. „Wir haben mit 24 Mädchen in einem Zimmer geschlafen, in dem es wenig Licht und viel Ungeziefer gab. Aber es hat auch von Tag eins an Spaß gemacht, denn es war das, was ich immer machen wollte.“ Mit 22 Jahren erreicht Borac beim renommierten Klavierwettbewerb in Bozen in Südtirol das Halbfinale, gewinnt aber nicht. Das macht Joachim Kaiser wütend, der Klavierpapst der Süddeutschen Zeitung, bringt die Ungerechtigkeit zu Papier. „Dadurch wurde die Chopin-Gesellschaft in Hannover auf mich aufmerksam und ich bekam ein Stipendium für die Musikhochschule“, freut sich Borac immer noch. Geplant war ein Jahr Hannover – „aber nun bin ich schon fast drei Jahrzehnte hier“. Der internationale Durchbruch kam 2001 mit einem Solo-Abend in der Carnegie Hall in New York. „Dort zu spielen, ist eine unfassbare Ehre. Wie das Wembley-Stadion für Fußballer.“ Sieben Jahre war sie an der Hochschule Assistentin des großen Klavier-Professor Karl-Heinz Kämmerling (gestorben mit 82), gelegentlich durfte sie ihn vertreten und die Meisterklassen selbst unterrichten. Manchmal unter ihren Schülern: Echo-Preisträger Igor Levit (33) – „der fing damals gerade an zu studieren“, erinnert sich Borac. Die beiden kennen sich gut. Inzwischen wird Levit als „einer der großen Pianisten dieses Jahrhunderts“ bezeichnet. In der Heimat Rumänien ist Borac ein Star: Döll-Geschäftsführerin Ariane Jablonka (52) kennt Borac seit 25 Jahren. Sie war schon ihre Vermieterin, organisierte Konzerte für sie, sucht ihren Rat bei neuen Flügeln, beide sind Freundinnen. „Luiza ist eine exzellente Künstlerin, die so unglaublich diszipliniert, feinfühlig und kreativ ist, wie ich das selten erlebt habe.“ In ihrer Heimat Rumänien ist Borac ein echter Star. Jablonka weiß: „Wenn sie mal da ist, sieht sie vor lauter TV-Interviews und Autogrammstunden kaum ihre Eltern. Aber sie ist so bescheiden, dass sie diesen Ruhm immer runterspielt.“ Mitten in der Corona-Krise ist dieser Tage die neueste Doppel-CD von Luiza Borac erschienen. Natürlich hätte sie die Interpretationen von Constantin Silvestri gerne auf einer Tournee präsentiert. Stattdessen sitzt sie bis zu zehn Stunden am Klavier, fokussiert sich „noch genauer auf einzelne Stücke“ und genießt „die Konzentration auf das Wesentliche: mein Klavier“. Bei der Expo 2000 erstand sie den Steinway-Flügel Boston, damals wie heute 30 000 Euro wert. Ihre Eltern sind weit weg in Rumänien, der Bruder auch, trotzdem will Borac Hannover nicht mehr verlassen. „Ich kann mir nicht mehr vorstellen, in einer Wohnung zu leben, ohne vom Fenster aus die Marktkirche zu sehen.“ Dort gibt sie auch Klavierstunden, wie alle Lehrer in der Hoffnung „irgendwann ein ganz großes Talent zu entdecken“. Ein Talent, so wie sie eines einst war. Der andere große Wunsch mag sich irgendwann noch realisieren lassen. Die Frau, die schon in der Kölner Philharmonie, in der Steinway Hall London, in Wien, Mailand und beim Schleswig-Holstein-Festival gespielt hat, möchte so gerne in der Elbphilharmonie das Klavierkonzert von Clara Schumann zum Besten geben: „Wenig gespielt, aber wunderschön.“ Sagt sie, setzt sich an den Flügel und gibt dem Reporter am Telefon eine Kostprobe ihres Könnens. Virtuos! Lesen Sie auch: Corona-Krise: Der Überlebenskampf der Künstler Igor Levit Weltklasse-Auftritte in der Corona-Krise Schauspiel-Intendantin Sonja Anders über die Corona-Krise Von Christoph Dannowski

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