Laufrunde mit Niedersachsens Handball-Chef Markus Ernst

Ich muss mich umstellen. Acht Jahre lang habe ich Markus Ernst angerufen, um Besuche von Recken-Nationalspielern beim NP-Rendezvous im Stadtpark abzustimmen, eine mögliche Ehrung der Mannschaft bei der Sportgala abzusprechen, Ticketverlosungen oder Termine für das NP-Grundschulprojekt abzuklären. Ernst war Pressesprecher von Hannovers Handball-Bundesligastars und eigentlich immer im Einsatz. Der fast glatzköpfige Mann, der mir an diesem nasskalten Mittwochvormittag aus dem Haus des Sports in der Maschstraße entgegenkommt, ist sportlich gesprochen ein Aufsteiger. Seit zwei Monaten leitet er zehn Mitarbeiter, ist verantwortlich für 88.000 Mitglieder und den zweitgrößten Fachverband aller Mannschaftssportarten des Landes. „Hallo, Geschäftsführer“, rufe ich ihm entgegen, Ernst schmunzelt, fast ein bisschen verlegen. Oben in seinem Büro leben sie gerade den fließenden Übergang: Vorgänger Gerald Glöde hilft, der Neu-Rentner war schließlich sagenhafte 37 Jahre im Amt. Markus Ernst ist sportlich und ehrgeizig: Los geht’s mit dem gebürtigen Bückeburger Richtung Sprengel-Museum und Maschpark. Ernst verspricht, sich auf mein Tempo einzustellen, vergisst das nach 100 Metern allerdings wieder. So schnaufe ich dem 75 Kilo leichten Funktionär hinterher, den die Begriffe „sportlich“ und „ehrgeizig“ von Kindesbeinen geprägt haben. Begonnen hat sein Sportler-Leben mit dem Turnen, schnell abgelöst vom Tennis, wo Markus Ernst mit 14 Jahren schon zu den 50 besten Jugendlichen Deutschlands zählte. „Weil das für meine Eltern eine ganz schön teure Angelegenheit war, waren sie ziemlich sauer, als ich Tennis für Handball aufgeben wollte“, erinnert sich Ernst, der mit dem Ball auf Linksaußen anfing, seine beste Zeit allerdings im Tor erlebte. Parallel zum Abitur gab es im Jahr 2000 den Kampf um die A-Jugend-Meisterschaft, den seine Mindener für sich entschieden. „Das Abi und der Meistertitel in so kurzer Zeit, das erzeugte Glücksgefühle, die ich heute noch spüren kann“, sagt Ernst. Mit 1,71 Meter ist er ungewöhnlich klein für einen Schlussmann: „Mein Vorteil war, dass ich immer unterschätzt wurde.“ Das half auch im Sportstudium, von dem ihm sein Orthopäde eigentlich abgeraten hatte. „Mit deiner kaputten Hüfte wird das nix“, habe der Arzt gesagt. „Das war für mich ein zusätzlicher Ansporn, es durchzuziehen“, sagt Ernst, der den Sport-Management-Abschluss tatsächlich schaffte. Die Hüfte allerdings „musste raus, als ich gerade 31 war. Für den Professor in Bad Oeynhausen war ich der jüngste Patient, der jemals eine künstliche Hüfte bekommen hat.“ An der HDI-Arena vorbei laufen wir durch den Sportpark, Ernst fallen grandiose Recken-Ereignisse ein. „Das irre Medieninteresse bei unserem ersten Final-Four im Pokal in Hamburg, die Europapokalreise nach Lissabon und diverse Begegnungen mit Stefan Kretzschmar “, sagt Ernst. Die Handball-Ikone und TV-Kommentator kam stets erst ein paar Minuten vor Beginn der Live-Übertragung, „einmal rauschte er so knapp an, dass er direkt vor der Halle parkte und ich schnell sein Auto wegfahren musste, bevor der Abschleppwagen anrückte.“ Zurück am Maschsee spricht Ernst über die vierte Sportart seines Lebens, das Golfen. Handicap 3,7 hat er aktuell, für einen Hobbyspieler ist das unfassbar gut. „Wenn ich etwas mag, will ich es auch richtig gut können“, erklärt Ernst, der auf dem Golfplatz „das absolute Abschalten“ liebt. „Wenn du das Grün betrittst, gibt es nur noch den Schläger, den kleinen Ball und dich.“ Das regelmäßige Laufen dient eher der Fitness: „Ich muss jeden Tag Bewegung haben, sonst werde ich schnell ungehalten“. Eins müssen wir noch klären, kurz bevor wir den Ausgangspunkt nach 6,5 Kilometern wieder erreichen. Warum wohnt Ernst auch als Chef eines niedersächsischen Verbandes immer noch in Nordrhein-Westfalen? „Ich habe Hannover echt schätzen gelernt“, sagt er, „die Stadt ist bei vielen zu Unrecht unter dem Radar. Hannover hat alles, was du brauchst.“ Aber der Mindener Handball-Stadtteil Dankersen, das Haus seiner Mutter Karin, der er nach dem zu frühen Tod des Vaters nahe sein will – das ist Heimat für den Familienmensch. Außerdem lebt Feldhandball-Legende Herbert Lübking (139 Länderspiele, dreimal Europapokalsieger, Träger des Bundesverdienstkreuzes) in seiner Straße. „Wenn das nicht für Dankersen spricht“, sagt Markus Ernst und lacht laut. Sport ist eben sein Leben. Geboren am 29. Mai 1981 in Bückeburg unweit des Schlosses. Direkt nach der Geburt mit der Familie umgezogen nach Nordrhein-Westfalen, 400 Meter hinter der Landesgrenze zu Niedersachsen wohnt Ernst immer noch. Schon in der Jugend talentierter Handballer bei GWD Minden, als Torhüter Im Jahr 2000 deutscher A-Jugend-Meister. Nach dem Abitur Sport-Management-Studium an der Sporthochschule Köln. 2007 erster Job beim TuS N-Lübbecke, von 2012 an Pressesprecher der TSV Hannover-Burgdorf. Seit dem 1. Oktober 2020 Geschäftsführer des Handball-Verband Niedersachsen. Hobbys: Golf, mit einem Buch oder einer TV-Serie auf dem Sofa entspannen. Handball-Chef Markus Ernst im Läufer-Interview: Was hören Sie gerne beim Laufen? Meistens Hits aus den 90er Jahren, wenn ich schneller laufen will, auch Electro oder Techno. Bei langsamen Runden geht auch mal ein Podcast. Alleine oder in der Gruppe? In der Regel alleine. Das ist in der Corona-Zeit ein Vorteil, da sich für mich zumindest läuferisch nichts geändert hat. Mit wem würden Sie gerne mal unterwegs sein? Mit Tiger Woods. Als passionierter Golfer könnte ich mir da reichlich Tipps holen. Wo kaufen Sie Ihr Equipment am liebsten? Da gehöre ich zu den E-Commerce-Jüngern. Welche sportliche Website besuchen Sie regelmäßig? Natürlich den Sportbuzzer von Madsack, aber auch Bild.de Wo wollen Sie unbedingt noch mal laufen? Ich bin mal den Halbmarathon in Hannover gelaufen. Die Begeisterung der Zuschauer und die Atmosphäre waren gleichermaßen beeindruckend und motivierend. Gras, Sand, Asphalt, Tartanbahn oder Waldboden, welcher Untergrund gefällt Ihren Füßen am besten? Meine künstliche Hüfte freut sich, wenn ich die Runde auf dem Asphalt weglasse. Daher bevorzuge ich den Wald oder den Sportplatz. Wie belohnen Sie sich für eine anstrengende Einheit? Mit einem leckeren Bier. Bei welchem Wetter bleiben Sie garantiert zu Hause? Im Dauerregen ziehe ich mittlerweile das Spinning-Rad vor. Schwächeln Sie im Winter? Nein, auch wenn ich lieber bei Wärme laufe. Die sonnigen Runden im Winter bei trockener Kälte mag ich aber auch. Kann ein Laufband die Natur ersetzen? Nein, deshalb brauche ich auf dem Laufband auch immer den Fernseher zur Ablenkung … Können Sie einen Lauftreff empfehlen? Ich kann nur den „Kölner Treff“ im Fernsehen, aber keinen Lauftreff empfehlen. Laufen nach durchzechter Nacht – geht das? Das geht. Ist auf den ersten Kilometern sehr hart, aber wenn der Alkohol erstmal raus ist, fühlt man sich nach dem Duschen wie neugeboren. Was essen Sie vorher gerne? Gar nichts. Ich habe die schmerzhafte Erfahrung gemacht, dass es sich mit vollem Magen gar nicht gut laufen lässt. Was haben Sie immer dabei? Mein Handy – wenn mal was ist, kann ich noch SOS funken. Haben Sie ein laufendes Vorbild? Ich bewundere die Äthiopier, insbesondere Haile Gebrselassie (zweifacher Olympiasieger, vierfacher Weltmeister, stellte 26 Weltrekorde auf, die Red.). Schnellstarter oder Zielsprinter – welcher Lauftyp sind Sie? Schnellstarter. So kann ich die am Anfang gewonnene Zeit bis ins Ziel verteidigen und mich so richtig quälen. Lesen Sie auch: Laufrunde mit Hannover-Concerts-Chef Nico Röger Laufrunde in Burgdorf mit Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes Von Christoph Dannowski