Kult-NDR-Sendung "Der Club" feiert 50. Geburtstag in Hannover

Es kommt nicht so oft vor, dass Journalisten bei Freunden und Bekannten mit Berichten aus ihrem Berufsalltag Begeisterungsstürme auslösen. Wenn man aber nebenbei erwähnt, dass man mit Ulli Harraß (58) ein Interview geführt hat, schüttet das bei der Ü-50-Generation eine Welle von Glückshormonen aus. „Die Sendung war echt meeeeeega“, frohlockt ein Freund. „Der Club“ ging am 1. Dezember 1969 im NDR auf Sendung, das Zeitfenster ab 17 Uhr war „für junge Leute“ reserviert – und ein Pflichttermin, um am Radio zu hängen, die Finger auf der Aufnahmetaste des Kassettenrekorders. Das junge Publikum lechzte nach Beat- und Popmusik, die gab es damals nur bei den britischen und amerikanischen Soldatensendern. „Es gab Druck von der Politik und Bundeswehr“, weiß Harraß, der Ende der 60er selber noch ein Kind und weit weg von seiner ersten Moderation war. Der Premieren-Beitrag des „Fünf-Uhr-Clubs“? „Ausgerechnet eine fünf Sekunden lange Pause. Dem Moderator war ja bewusst, dass das ein historischer Moment war“, erzählt Harraß amüsiert. „Hört auf zu labern“, forderte das junge Publikum: Historisch und legendär. „Der Club“ nahm Fahrt auf, doch der erzieherische Auftrag des NDR brachte die Einschaltquoten wieder zum Bröckeln. Schuld waren Neun-Minuten-Wortbeiträge über den Befreiungskampf der Bauern in Nicaragua oder die Asta-Aktivitäten an der Hamburger Uni. „Hört auf zu labern“, an diese Forderung erinnert sich Harraß, der 1982 zum Team stieß. Lutz Ackermann (74) schrieb ein neues Konzept. „Der Mann hatte Disco-Erfahrung, er bekam die Chance“, schwärmt Harraß. Obwohl „populär“ damals eher ein Schimpfwort gewesen sei. Ackermann zog eine neue Moderatoren-Generation heran. Auch Harraß brach mit den Konventionen. „Moin. Hier ist Ulli Harraß“, so lapidar und gar nicht staatstragend hatte sich der damals 20-Jährige den Hörern vorgestellt. Und „Let’s groove“ von Earth, Wind & Fire gespielt. „Jeder durfte seine eigene Musik zusammenstellen, das gab heiße Diskussionen“, erinnert sich der 58-Jährige. „Ich habe manchmal eine Woche an einem Programm gefeilt.“ Und noch etwas änderte sich: „Wir hatten geile Themen.“ Zum Beispiel? „Was so unten in der Hose los ist“, sagt er und fällt in ein ansteckendes Lachen. Liebe, Sex, Stress in der Schule – „Bravo-Themen“, nennt Harraß das. „Wir haben Impulse gegeben, Gedanken angeregt.“ Das wollten 1,2 Millionen Menschen jeden Abend hören, 250 Leserbriefe im Monate trudelten ein. Als Musik noch mit Gefühl zusammengestellt wurde: Das Erfolgsrezept: „Der Club hat verlässlich den Feierabend versüßt“, findet Harraß, der den NDR 1997 verließ („Es war kein fröhlicher Abschied“) und heute mit seiner Agentur Wayof.net Podcasts, Hörfunksendungen, Werbespots und Filme für Unternehmen produziert. Heute stelle bei Radiosendern ein Algorithmus die Songs zusammen. „Aber ein Algorithmus hat keine Gefühle.“ Große Gefühle soll es aber bei der Party am 30. November im Bahnhof Leinhausen geben. 580 Mitglieder hat die Facebook-Gruppe „Der Club“, die Fans tauschen sich aus, fachsimpeln über die Moderatoren von einst, posten in der exklusiven Runde die besten Reinigungsmethoden für Kassettenrekorder, Presseberichte oder Partybilder aus den 80ern. „Für viele war das eine wichtige Phase des Lebens. Musik ist eine emotionale Erinnerung, die sitzt tief. Und unsere Sendung war die Oase in der Wüste“, bilanziert Harraß. An einem „Regen-Sonntag vor acht Monaten“ hatte er die Club-Facebookseite mit fünf verwaisten Mitgliedern entdeckt. Längst ist er Administrator der stetig wachsenden Gruppe – und hat einen Spielplatz für seine alten Schätze gefunden. Auf www.der-club-relaoded.de teilte er mit Fans über Mixcloud Mitschnitte alter Sendungen. „Ich habe viel Platz im Keller, da stehen Pappkartons mit Kassetten, die jetzt nach und nach digitalisiert werden“, freut sich Harraß. Die Party wird ein „Klassentreffen“: Das Wiederhören mit den alten Werken war aber auch nicht einfach. „Man fällt dann in die alten Situationen rein, ich hatte ein bisschen Angst davor“, gibt, der Mann zu, der am Mikro eher eine Rampensau war. „Aber Freude und Spaß überwiegen“ – und so geht es auch den Fans von einst. Die Party am 30. November wird „eine Art Klassentreffen“. 25 Leute aus Club-Zeiten („Wir waren im Team gut“) erwartet Harraß. Sein Traumgast wäre ein Mann, dem er seit 1987 dringend mal ein Bier ausgeben müsste – Scorpions-Sänger Klaus Meine (71). „Er kam damals mit der Band nach vier Monaten aus den USA zurück, die Familien warteten am Flughafen – aber Klaus Meine hat mir trotzdem ein Interview gegeben“, blickt Harraß an den denkwürdigen Tag zurück. Und den Schock nach 20 Minuten Fragen und Antworten. „Das Gespräch war ein Hammer – aber ich hatte die Aufnahmetaste nicht gedrückt.“ Die Rettung für den Radiomann? „Klaus Meine hat einfach alles nochmal erzählt.“ Das müssen Sie über die „Club“-Party wissen: „Der Club“ feiert am Sonnabend, 30. November, ab 20 Uhr im Bahnhof Leinhausen (Herrenhäuser Straße 126). Karten kosten an der Abendkasse 20 Euro. Etwa 25 ehemalige „Club“-Moderatoren feiern mit, auf der Bühne stehen „Lake“-Sänger Ian Cussick und die Band „Snow White in the Dark“. Von Andrea Tratner

Kult-Radiosendung - „Der Club“ feiert 50. Geburtstag in Hannover