Jakobsweg von Berlin nach Hannover: Wanderer sammeln Spenden

Sturmböen und Starkregen haben sie schon hinter sich: „Das war räudiges Wetter“, erinnert sich Julia Zwehl (44) ungern an den Mittwoch vergangener Woche. Gestern sah die Lage zum Glück anders aus: „Es ist paradiesisch“, schwärmt die einstige Spitzensportlerin (gewann 2004 Olympia-Gold im Hockey) über milde 20 Grad und leichte Bewölkung. Aber das Wichtigste: „Wir laufen durch Bilderbuchlandschaften.“ An ihrer Seite marschieren Ehefrau Ivonne (44), Bobo (42) und Maik Weinzierl (46). Startpunkt war am 22. August in Berlin, das Ziel ist Hannover: 450 Kilometer auf einem mittelalterlichen Jakobsweg. Mit Pilgerwanderungen hat Bobo Weinzierl Erfahrung: Der Sprecher des GOP-Varietés war schon einige Male auf dem klassischen Pfad unterwegs, der ins spanische Santiago de Compostela führt. Die NP erwischte die Truppe gestern in Tangermünde –ausgerechnet der Ort, an dem im Frühjahr die Idee für das Projekt entstand. In Tangermünde entdeckt er die Jakobsmuschel: In der Corona-Zeit entschieden sich die Weinzierls nämlich, sich einen Hundewelpen zuzulegen. Die Old English Bulldog namens Bosch holten sie bei einem Züchter in der Nähe von Tangermünde ab. „Da entdeckte ich an einem Wegweiser das Symbol der Jakobsmuscheln – sie zeigen alte Pilgerwege an“, erinnert sich Bobo Weinzierl. Er recherchierte, „aus einer Schnapslaune“ heraus, daraus entstand der Wander-Trip. Die Tour hat außerdem einen ernsten Hintergrund. Zwehl arbeitet im Zoo Hannover im Bereich Marketing, seit Juli ist sie vor allem zuständig für den Bereich Spenden und Sponsoring. Eines ihrer Projekte ist „Die Rückkehr der Riesen“, Zwehl will mit der auf Facebook dokumentierten Wanderung ein Forum dafür schaffen. „2008 musste der Zoo seine fünf Riesenschildkröten abgeben, weil Platz für den Bau von Yukon Bay gebraucht wurde.“ Otto, Leopold, Romina Power, Porsche und Cassiopeia sollen jetzt aber wieder zurückgesiedelt werden, im Herbst 2021 soll ein neues Gewächshaus für sie fertig werden. Für das Projekt sammelt der Zoo Spenden. Spenden für „unkaputtbare“ Riesenschildkröten: Seit 220 Millionen Jahren leben die Tiere auf der Erde. „Riesenschildkröten wirken behäbig, sind aber sehr beweglich“, erzählt die 44-Jährige begeistert. „Sie gehen mit einem Panzer in die Zukunft, sind quasi unkaputtbar.“ Das sind die Wanderer nicht auf ihrer täglichen Strecke von 20 bis 25 Kilometer. Aber mehr als „die üblichen Wehwechen“ plagen niemanden aus der Gruppe. „Der Körper zeigt einem schon, was geht“, hat Zwehl festgestellt, die nicht auf große Wander-Erfahrung zurückblicken kann („Ich habe als Training meine Mama zu Fuß besucht, statt das Rad zu nehmen“). Aber: „Es ist eine Frage des Willens – und des Miteinanders.“ Drei Hunde hat die Gruppe dabei, neben Welpe Bosch noch die französischen Bulldoggen Eli und Anda – und einen Bollerwagen zum Transport von Proviant und Tieren. Denn Anda ist zwölf Jahre alt, hat Krebs – „es wird die letzte Reise“, sagt Bobo Weinzierl. Die Wanderung des Quartetts führt nicht gradlinig von A nach B, der Jakobspfad schlägt Haken, macht Umwege. Und offenbart hinter jeder Kurve neue, spannende Geschichten. „Wir haben Füchse, Rehe und Fasane gesehen. Wir naschen Äpfel, Birnen und Mirabellen von den Streuobstwiesen. Und treffen unfassbar herzliche Menschen“, erzählen die Wanderer. Denn in der teilweise sehr einsamen brandenburgischen Feldmark sind die Hannoveraner mit Bollerwagen und Rucksäcken der Hingucker. „Die Leute sind sehr neugierig und hilfsbereit“, berichtet Weinzierl. Die Truppe nächtigte in einem Gemeindehaus, bekam eine exklusive Kirchenführung, wurde zum Lagerfeuer eingeladen, erfuhr interessante DDR-Biografien. „Ein Mann erzählte uns, dass sie als Kinder in der Schule lernen mussten, Handgranaten zu werfen“, berichtet Weinzierl. Auch das ist Ostdeutschland: „Viele Orte sind sehr verlassen, haben kaum Infrastruktur.“ Aber dafür Natur im Überfluss. „Man hört und sieht hier unglaublich viele Vögel“, freut sich Zwehl über das Zwitschern am idyllischen Elbufer. Im Reisetagebuch ist das fast der Standardsatz eines jeden Eintrags: „Fuchs und Igel sagen sich hier Gute Nacht.“ Lesen Sie auch Hannover: Mit Förster Felix Bettin durch die Eilenriede Wandern in der Region Hannover: Sechs Touren für jedes Alter Stand-up-Paddling: Das ist der Hannover-Rundkurs über Leine und Ihme Von Andrea Tratner