Hannover: Diese Düfte machen auch in Corona-Zeiten glücklich

Sie haben direkten Zutritt zu unserem Zentrum für Emotionen und Erinnerungen: Gegen die Macht der Gerüche kann man sich nicht wehren, sagt Marc vom Ende von Symrise, dem Holzmindener Anbieter von Duft- und Geschmacksstoffen. Er arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Parfümeur – und weiß, wie wir die Power der Gerüche für uns nutzen können. Herr vom Ende, was unterscheidet den Geruchssinn von anderen Sinnen? Im Gegensatz zum Sehen oder Hören läuft der Geruchssinn nicht über die Großhirnrinde, wo die Eindrücke sozusagen für das Gehirn übersetzt werden. Gerüche landen direkt im Limbischen System, das für Emotionen und Erinnerungen verantwortlich ist. Was bedeutet das? Gerüche schlagen direkt zu, dagegen kann man sich nicht wehren. Hat man zum Beispiel einen Partner gehabt, mit dem es nicht gut endete, wird der Geruch dieses Menschen immer ein schlechtes Gefühl erzeugen. Die Erinnerung ist sofort und ungefiltert da. Das macht den Geruchssinn so einzigartig. Der heute 52-Jährige Berliner hatte schon als Kind großes Interesse an Chemie und absolvierte eine Lehre als Chemielaborant. Den ur-sprünglichen Plan, das Fach Chemie auch zu studieren, verwarf er, als er bei einem Riechtest besonders gute Leistungen zeigte. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet er als Parfümeur bei der Firma Symrise (hieß bei seinem Berufsstart noch Dragoco), die für internationale Auftraggeber tätig ist. Pro Jahr tüftelt vom Ende an rund 3000 Mischungen, aus denen etwa 1200 Parfüms entstehen . Wie kann man diesen Effekt für sich nutzen? Man sollte sich überlegen, welche Düfte positive Erinnerungen heraufbeschwören. Der letzte Urlaub am Meer ist vielleicht mit dem Geruch von Sonnencreme, Rosmarin oder Lagerfeuer verbunden. Das kann man in Zeiten, in denen Reisen erstmal kein großes Thema ist, ganz bewusst für sich einsetzen. Die meisten Menschen mögen auch den Duft von Orangen, viele assoziieren mit ihm Weihnachten. Gibt es Gerüche, die jeder Mensch mag? Nein, denn es kommt ja darauf an, welche Erinnerung er aktiviert. Nelken zum Beispiel lassen viele an den leckeren Rotkohl vom Weihnachtsabend denken. Da Nelkenöl schmerzlindernd wirkt, wird es aber auch von Zahnärzten benutzt. Wer den Duft der Nelke mit einer Wurzelbehandlung assoziiert, wird sich weniger wohl fühlen. Aber es gibt sicher Gerüche, die niemand mag. Es gibt keine schlechten Gerüche. Wir empfinden Gerüche als unangenehm, wenn uns als Kind gesagt wurde, dass sie „bäh-bäh“ sind. Das ist reine Prägung. Schon im Mutterleib nehmen wir durch den Blutaustausch wahr, auf welche Gerüche die Mutter positiv oder mit Unwohlsein reagiert. Das gewöhnt man sich nicht mehr ab. Gibt es kulturelle Unterschiede bei der Wahrnehmung von Gerüchen? Absolut. Es wird wohl jeder Franzose den Geruch von Lavendel lieben, weil er an die duftenden Felder in der Provence denkt. Viele Deutsche fühlen sich an die Mottenkissen in Großmutters Schrank erinnert und rümpfen eher die Nase. Hat eine Pandemie wie Corona Einfluss auf unsere Duftvorlieben? Dazu gab es eine weltweite Befragung. Die These war, dass wir durch die vielen Desinfektionsmittel diese Gerüche mit dem Gefühl der Sicherheit assoziieren und deswegen ihre Beliebtheit steigen könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Naturdüfte liegen mehr im Trend als je zuvor. Frisches Blattgrün, Zitrusfrüchte, Kräuter, erdige Töne und Waldgerüche – alles, was an Draußen erinnert, ist beliebt. Diese Wahrnehmung gilt weltweit. Lockdown, Homeoffice, Kontaktbeschränkungen. Kann ich den Corona-Blues mit Aromatherapie lindern? Ja, mithilfe von ätherischen Ölen und Duftöllampen. In das Schälchen über dem Teelicht gibt man ein paar Tropfen Öl und beobachtet, welche Wirkung sich entfaltet. Düfte wie Zitrus, Eukalyptus oder Rosmarin haben eine belebende Wirkung, Sandelholz und Vanille zum Beispiel einen beruhigenden Effekt. Kann dabei etwas falsch machen? Man muss vorsichtig dosieren. Die Öle sind hochkonzentriert und sollten auch nicht auf die Haut aufgetragen werden. Man sollte sich behutsam vortasten. Wenn wir etwas Neues essen, probieren wir ja auch zunächst eine Kleinigkeit und stopfen es nicht in uns rein. Schenken wir unserem Geruchssinn zu wenig Aufmerksamkeit? In aller Regel schon. Sprechen und Hören sind in unserer Gesellschaft dominanter als das Riechen. Dabei kann und sollte man seinen Geruchssinn trainieren. Im Alter lässt er nach, jeder Dritte über 70 Jahren ist geruchsblind. Weil Riechen und Schmecken eng zusammenhängen, kann das dazu führen, dass ich ein gutes Essen oder einen edlen Wein nicht mehr wirklich genießen kann. Wie kann man den Geruchssinn trainieren? Schnuppern Sie sich mal ganz bewusst durch einen Tag. Wie riecht die Luft draußen, wonach riecht der Supermarkt oder ein neuer Raum, den ich betrete? Man kann sich bei einem Blindriechen durch seine Küchenkräuter schnuppern und ein Ratespiel daraus machen. Ein Dinner im Dunklen trainiert Geschmacks- und Geruchssinn. Es ist spannend, Speisen zu definieren, die man nicht gesehen hat, und nur von Geschmack, Geruch und Konsistenz bestimmen kann. Wieso hilft das? Weil es erwiesen ist, dass durch ein solches Training unser Riechkolben, der Bulbus olfactorius, wächst und leistungsstärker wird. Das ist wie beim Muskeltraining im Fitnesscenter. Und warum lohnt es sich, Riechkolben-Fitness zu betreiben? Weil wir uns nicht nur auf unseren Verstand fixieren, sondern mehr auf unser Herz und unsere Emotionen achten sollten. Und der Geruchssinn ist nun einmal der direkte Weg in unsere Gefühlswelt. Lesen Sie auch Parfum richtig auftragen: Fünf Tipps, damit der Duft besonders lange hält Wellness ist mehr als ein Schaumbad: So verwöhnen Sie sich zu Hause Aromatherapie: Wie können ätherische Öle helfen? Von Julia Braun