Hannover: „Audio Now“ widmet Scorpions-Welthit „Wind of Change“ Podcast

Er ist einer der ikonischsten Songs der Zeitgeschichte. Und er stammt aus Hannover. 1990 schrieben die Scorpions mit ihrem Welthit „Wind of Change“ Musikgeschichte. 30 Jahre später blicken sie auf die Zeit zurück, als der Song entstand. Der Berliner Musikverlag BGM und die RTL-Podcast-Plattform „Audio Now“ haben ihm einen Podcast gewidmet: „The Iconic Song“ heißt die Reihe, es soll um Lieder gehen, die ein bestimmtes Lebensgefühl verkörpern, Symbolkraft haben, für ein Ereignis stehen. In der ersten Staffel mit vier Folgen dreht sich alles um „Wind of Change“. „Eigentlich war dieser Song die Idee für den Podcast – deshalb widmen wir ihm die erste Staffel“, sagt MTV- und Podcast-Moderator Steve Blame (61) gleich zu Beginn. Eins. Der Brite hat sich dafür auf eine Reise nach Hannover begeben, um dort die Band-Mitglieder Klaus Meine (72), Rudolf Schenker (72) und Matthias Jabs (65) zu treffen. Die erzählen, wie sie die Nachkriegszeit in ihrer Kindheit und die Mauer wahrgenommen haben – deren Fall sie später ihren großen Song widmeten. Lesen Sie auch: Die Scorpions im NP-Interview über den Mauerfall „Das Wahnsinnige ist ja, dass wir nur 100 Kilometer von der Grenze entfernt gelebt haben“, sagt Schenker. Und Meine erinnert sich, wie seine Mutter die Tante aus dem Osten holte, bevor die Mauer errichtet wurde. „Sie wollten ihre Heimat eigentlich nicht zurücklassen, aber meine Mutter blieb hartnäckig – bis sie sie überzeugen und mitnehmen konnte.“ Der US-Erfolg und die Sehnsucht nach dem Osten: Folge zwei handelt von dem US-Erfolg der Band. Hier stürmten die deutschen Rocker die ausverkauften Hallen, ihre Alben „Animal Magnetism“ (1980), „Blackout“ (1982) und „Love At First Sting“ (1984) schlugen ein. Dennoch blieb für die Musiker aus Hannover eine Sehnsucht unerfüllt: einmal im Osten aufzutreten. „Wir spielten auf der ganzen Welt, aber in unserem eigenen Land durften wir nicht. Das trieb uns in den 80ern sehr um.“ Highlights waren für sie deshalb 1988 zehn Konzerte in Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg. Wenn auch nicht in der DDR: Endlich durften sie in der Sowjetunion spielen. Dieses Erlebnis konnte aber noch getoppt werden, darum geht es in Folge drei: Ihr damaliger Manager Doc McGhee (70) initiierte 1989 das Moscow Peace Festival, ein Anti-Drogen-Festival nach dem Vorbild von Woodstock. Eingeflogen wurden dafür die wildesten Rocker: Ozzy Osbourne (71), Skid Row, Mötley Crüe, Bon Jovi – und die Scorpions, die McGhee ein Jahr nach den Konzerten in Leningrad als Türöffner nach Russland dienten. „Rock-Diplomaten“ beim Moscow Peace Festival: „Wir flogen von Hannover nach London, um dort mit allen zusammen nach Moskau zu fliegen“, erinnert sich Meine. „Diese muntere Gruppe stieg dann in Moskau aus dem Flugzeug und der ein oder andere hatte auf dem langen Flug dorthin bestimmt schon mal ein bisschen vorgeglüht. Aber es war ein Anti-Drogen-Festival“, sagt Meine und lacht. Natürlich musste keiner seinen Pass vorweisen: „Wir sind als Rock-Diplomaten eingereist.“ Die Rocker wurden auf eine Schiffstour eingeladen, das Boot schipperte sie über die Moskwa zum Moskauer Gorky Park, wo es einen lustigen Grillabend gab. Der Auslöser für Klaus Meines Idee zu „Wind of Change“, in dessen Songtext es heißt: „I follow the Moskwa, down to Gorky Park“ (Ich folge der Moskwa bis zum Gorky Park). „Alle spürten, hier wird Geschichte geschrieben. Es ist ein ganz besonderer Moment, was hier gerade passiert“, erinnert sich Meine. „Es waren all die Musiker und Verantwortlichen dabei, Journalisten von überall, Rote-Armee-Soldaten. Es fühlte sich so an, als sei die ganze Welt in einem Boot gewesen und alle sprechen eine Sprache: Musik.“ „Alle spürten, hier wird Geschichte geschrieben“: Die zwei Konzertabende seien nach den Konzerten in Leningrad die emotionalsten Gigs ihrer Musikkarriere gewesen. „Wir hatten das Gefühl, die Welt verändert sich vor unseren Augen. Die ganzen Soldaten drehten sich um, wurden eins mit den Fans und haben gesungen und gefeiert. Junge russische Fans sagten zu mir: Klaus, die Zeiten des Kalten Kriegs werden bald vorbei sein. Und so kam’s dann.“ Rund drei Monate später. Zurück in Deutschland saß Meine in seinem kleinen Büro in Hannover und spielte auf einem Keyboard, das jedes der Bandmitglieder bei einem Konzert in Japan geschenkt bekommen hatte. Da entstand „Wind of Change“. „Ich hatte eigentlich gar nicht vor, einen Song zu schreiben, ich beschäftigte mich nur mit diesem Keyboard.“ Und pfiff dabei vor sich hin. So entstand „Wind of Change“: „Es sprudelte einfach aus mir raus, was ich erlebt hatte. Wir waren Teil des Moments, wo Geschichte geschrieben wurde.“ Schenker erinnert sich daran, dass Meine ihm die Melodie im Flugzeug auf dem Weg nach Los Angeles vorspielte: „Ich sagte: Hammermäßig. Wie kamst du denn auf das Pfeifen? Klaus sagte: Mir fiel nichts anderes ein, ich hatte keine Gitarre da.“ Entgegen Meines Erwartung fanden die Kollegen den Song doch nicht „total uncool“. Als sich die Band am Sunset Strip mit dem Musikproduzenten Bruce Fairman traf und ihm unter anderem das Demo von „Wind of Change“ vorspielten, schrieb Fairman in seine Kladde: „This could be a smash“ („Das könnte ein Kracher werden“). Er sollte Recht behalten. So erlebten die Scorpions den Mauerfall: Der Song war zur richtigen Zeit da – als die Mauer fiel. „Wir waren gerade in Paris und saßen mit der Plattenfirma beim Abendessen, da standen auch Fernseher. Plötzlich konnte man sehen, wie die Menschen auf der Mauer tanzten. Dieser Moment war so unglaublich nach all unseren Erinnerungen, wie wir in unserer Kindheit aufgewachsen sind“, so Meine. „Wir hätten uns nichts sehnlicher gewünscht, als an dem Abend in Berlin zu sein.“ Und was bedeutete das für „Wind of Change“? „Für so einen großen Moment in der Geschichte, wie klein ist da so ein Song auf einem Album?“ Noch ahnten Meine, Schenker und Jabs nicht, wie groß der Titel werden würde. Es gab ihn zwar zu diesem Zeitpunkt schon, aufgenommen haben ihn die Scorpions aber erst ein Jahr später. Und darum geht es in der finalen Folge von „The Iconic Song: Wind of Change“, die am 24. November auf „Audio Now“ erscheint. Am 27. November kommt das Box-Set mit 84-seitigem Hardcover-Buch, Fotos, Archivmaterial und fünf Versionen des Songs (54,99 bis 65 Euro) auf den Markt. Infos unter www.iconic-song.de Lesen Sie auch: 30 Jahre “Wind of Change”: Wie ein Song es ins kollektive deutsche Gedächtnis schaffte Hannover: Werner Nadolny von Krautrock-Band "Jane" hat Multiple Sklerose Hannoversche Band Cream Flow: Pit Schwaar und Agnes Hapsari Von Josina Kelz