Dominik Maringer jagt in Serien-Remake „M“ einen Serienmörder

Fritz Langs „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ kam 1931 in die Kinos und kann in Berlin verortet werden. Das Serien-Remake wurde in Wien gedreht. Könnte „M“ überall spielen? Der Sechsteiler zielt schon auf Österreich und die politische Stimmung im Land ab. Aber einen gewissen Rechtsruck erleben wir derzeit ja in sehr vielen Ländern. Man kann „M“ auch als Parabel sehen: Wie entsteht solch eine Hysterie im Volk? Wie kann die Politik Verordnungen und Gesetze durchpeitschen, die eigentlich nichts mit den Kindermorden zu tun haben? Nur die Kinder haben in der Serie Namen, die Erwachsenen nicht – sie sind Stellvertreter, werden über ihre Funktion definiert. Außerdem sind manche Figuren etwas überhöht, stilisiert gezeichnet. Die Serie mutet phasenweise etwas artifiziell an ... Wir haben an Originalschauplätzen in Wien gedreht. Allerdings hat Regisseur David Schalko darauf hingearbeitet, dass viele Szenen wirken, als wären sie im Studio entstanden. So entsteht diese märchenhafte, alptraumhafte Stimmung. Kannten Sie das Original von Fritz Lang? Ich bin froh, dass ich mir den Film von 1931 vorher nicht noch einmal angeschaut habe, sondern erst nach der Erstausstrahlung der Serie im ORF. Die Parallelen sind toll, David Schalko bezieht sich in ganz vielen Aspekten auf das Original. Bei Lang hängt die Kuckucksuhr in der Wohnung der Eltern des vermissten Mädchens – sie steht dafür, dass die Zeit verrinnt und das Kind nicht wiederkommt. Schalko hat die Uhr ins Asylbewerberheim umgepflanzt. Das ist ein interessanter Kommentar – und zeigt Schalkos Sinn für feine, schwarze Ironie. Wir haben Sie sich in die Rolle als „Der Innenminister“ eingearbeitet? Das fing schon beim E-Casting an. Ich musste zuhause vor der Kamera die Rede des Ministers bei der Gedenkfeier für die vier ermordeten Kinder aufnehmen – das waren drei Seiten Monolog. Dabei steckte ich am Schauspielhaus Dresden gerade mitten in den Endproben für „Professor Bernhardi“ (seufzt). Ich hab das aber sportlich genommen. Schon beim ersten Lesen des Textes hatte ich den jungen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz vor Augen. Blieb es dabei? Nein, ich wollte ja keine Parodie spielen. Natürlich ist die österreichische Politik ein reiches Feld für Inspirationen – einiges in Sachen Sprache und Auftreten habe ich von FPÖ-Politikern wie Innenminister Herbert Kickl und dem verstorbenen früheren Parteichef Jörg Haider einfließen lassen. Ich habe aber auch Christian Lindner von der FDP und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron studiert. Denn es geht um einen neuen Politikertypen, der sich eher als Manager sieht, der einen Staat wie einen Konzern lenkt. Die politische Überzeugung steht bei meiner Rolle gar nicht im Vordergrund. Der Innenminister in „M“ ist ein eitler Pfau, der sich gerne auch mal nackt vor den deckenhohen Spiegel stellt. Vor der Szene hatte ich Respekt und hab vorher auch ein bisschen Sport gemacht (lacht). Das ist aber keine Frage der Eitelkeit! Ich wollte keinen Sixpack, aber eine Wampe hätte zu dieser Figur des Innenministers auch nicht gepasst. Sie waren wahrscheinlich noch fit vom Dreh zum Bergsteiger-Drama „Manaslu – Berg der Seelen“, oder? Die Dreharbeiten haben sich sogar ein bisschen überschnitten. Das war komplettes Kontrastprogramm: Für „Manaslu“ haben wir im Tiefschnee auf über 3500 Metern gedreht – da fiel das Atmen schwer. Die Temperatur lag bei minus fünf Grad, die sich angefühlt haben wie minus 15 Grad. Und als Bergsteiger trug ich einen – aufgeklebten – Vollbart. Denn kurz davor und danach musste ich als glattrasierter Innenminister für „M“ vor die Kamera. Bleibt da eigentlich noch Zeit für Theater? Im Moment tatsächlich nicht viel, das ist aber keine bewusste Entscheidung – es kamen eben so viele gute Filmangebote. Mit „Im Westen nichts Neues“ haben wir im April ein Gastspiel in Russland, im Frühsommer wird es auch noch eine Vorstellung in Hannover geben. Meine Verbindung in die Stadt ist nach den fünf Jahren im Ensemble des Staatstheater Hannover aber noch ganz eng, ich habe viele Freunde hier. War es trotzdem schön, bei „M“ mal wieder österreichische Klangfarbe in die Sprache zu bringen? Ja, ich verbinde mich dann schneller mit der Figur. Ich komme ja aus Oberösterreich, wenn ich mit meinen Eltern spreche, ist das aber ein deutlich stärkerer Dialekt (lacht). Ich habe in Hamburg Schauspiel studiert und musste damals auch ein bisschen mehr Hochdeutsch üben als die Kollegen aus Bayern oder Berlin. Wie kamen Sie eigentlich zum Theater? Weil ich in der Schule unsterblich verliebt war in eine Mitschülerin, die in der Theatergruppe war. Meine Strategie ging zwar nicht auf, beim Theater bin ich aber geblieben. Dabei wollte ich als Kind eigentlich ein berühmter Geiger werden, ich hatte seit dem siebten Lebensjahr Unterricht. Aber ich hatte immer Angst vor Auftritten, in der Klassik ist der Perfektionismus einfach zu groß. Aber Schauspieler stehen doch auch auf der Bühne? Das ist aber anders. Es gibt nur den Text – ich kann ihn frei gestalten, selbst interpretieren. Da war der Druck weg. Ich fand es plötzlich schön auf der Bühne, nicht mehr stressig. Wie stressig war die Berlinale? Roter Teppich, viel Adrenalin, ein echtes Blitzlichtgewitter! Es war toll, aber auch ein bisschen skurril, die großartigen „M“-Kollegen zu treffen. Mit Sophie Rois hatte ich eine einzige Szene – ein Telefongespräch, das wir natürlich getrennt voneinander aufgenommen haben. Auch mit Lars Eidinger hatte ich nur einen Drehtag. Von Andrea Tratner

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