Christian Krebs: Neuer Direktor der Landesmedienanstalt (NLM) Hannover

Als er sich 2004 bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) bewarb, war er fast zu spät. Beinahe hätte der heutige Direktor Christian Krebs (45) die Frist verpasst. Um zwölf Uhr war am entscheidenden Tag nach einigen Wochen der Ausschreibung Einsendeschluss, Krebs klopfte um zehn Uhr völlig übermüdet und außer Atem und an die Tür der alten Backsteinvilla-Villa im Zooviertel. „Ich hatte nachts um halb vier die Stelle auf der Homepage gesehen und in Hektik die Bewerbung geschrieben. Ich wundere mich, dass da nicht 28 Fehler drin waren“, erinnert er sich und lacht. „Um acht Uhr habe ich mich in Hildesheim ins Auto nach Hannover gesetzt. Die Rückfahrt habe ich nicht mehr geschafft: Ich bin im Auto direkt vor der NLM eingeschlafen und erst nach zwei Stunden wieder aufgewacht.“ Wie es zu dieser Nacht-und-Nebel-Aktion kommen konnte: Krebs – als Jurist eigentlich in der Einhaltung von Fristen zuverlässig – hatte einen Jetlag. Er kam gerade aus dem USA-Urlaub zurück, hatte einen 16-Stunden-Flug mit vielen Zwischenlandungen hinter sich. „Ich konnte nachts nicht schlafen, war völlig aufgekratzt und surfte im Internet. Unter anderem checkte ich die Seite der NLM.“ Dort sah er die Ausschreibung zum juristischen Referenten „und fiel aus allen Wolken. Das war meine Traumstelle. Vielleicht war es Eingebung, dass ich sie noch rechtzeitig entdeckt hatte.“ Krebs hatte gerade sein zweites Staatsexamen gemacht, eine Station seines Referendariats hatte er in der Rechtsabteilung der NLM absolviert. Christian Krebs wollte Strafrichter werden: „Eigentlich wollte ich immer in die Staatsanwaltschaft oder als Strafrichter arbeiten. Rückblickend ist das die einzige Stelle, für die ich darauf verzichtet hätte.“ Denn neben dem Hang zur Gerechtigkeit (er ist auch Fußball-Schiedsrichter) und der Freude an Diskussionen (er war in der Schule im Debattierclub) hatte Krebs eine weitere Leidenschaft: Radio. „Ich habe als kleiner Junge ständig die mühsam aufgenommenen Kassetten meiner großen Schwester geklaut und drauf moderiert. Das hat mir eine Menge Ärger eingebracht – da habe ich das Diskutieren gelernt“, amüsiert er sich. Doch seine Lehrerin zerschlug in der fünften Klasse diesen Berufswunsch: Sie sagte, seine Aussprache sei so komisch, dass sie ihn zu einer Sprachtherapeutin schickte. „Dabei habe ich damals genauso gesprochen wie heute.“ Klar und deutlich, die Aussprache sehr korrekt, die Wortwahl präzise, der Wortwitz vorhanden. Volontariat und Jura-Studium gleichzeitig: Zum Glück ließ sich Krebs nicht beirren – und machte nach dem Abitur ein Praktikum bei Radio Westfalica in Minden. Eines Tages wurde der Moderator krank – er hatte so eine fiese Erkältung, dass er nicht mehr sprechen konnte. Krebs sollte einspringen. „Das erfuhr ich zwei Stunden vor der Sendung. In diesen zwei Stunden war mein Puls auf 200. Und während der Sendung habe ich so sehr gezittert, dass ich Schwierigkeiten hatte, die Regler zu treffen.“ Danach wusste er aber: „Das will ich machen!“ Krebs volontierte bei Radio Zusa, hatte zuvor als Vorstandsmitglied des Förderverein Radio Uelzen bei der NLM („da stand ich das erste Mal vor dieser schönen Villa im Zooviertel“) den Antrag für den neuen Radiosender abgegeben und bekam die Zulassung. Anfang 2000 bekam der damals 24-Jährige ein Angebot von dem quotenstarken Sender Radio SAW im Magdeburg – er sollte Moderator werden. „Mein Auto ist die Strecke nach Magdeburg quasi automatisch gefahren, so viel bin ich gependelt.“ Im Dezember 2000 wechselte er zu Radio 21 in Hannover. „Das war so cool. Es haben viele Künstler bei uns im Studio gespielt, die Simple Minds, Status Quo. Und ich habe Axl Rose interviewt.“ Nebenbei studierte er in all den Jahren Jura in Bielefeld und Hannover. Denn allein auf Radio setzen wollte er nicht. „Radio ist ein schnelllebiges Geschäft. Ich wollte noch eine andere Sicherheit haben.“ Die Stelle bei der NLM war also die perfekte Kombination aus Medien und Jura. Vom juristischen Referent wurde er zum Leiter der Rechtsabteilung, danach zum Stellvertreter von Direktor Andreas Fischer (64). Als der im Sommer 2020 in den Ruhestand ging, wurde Krebs zu seinem Nachfolger gewählt. „Ich habe mich sehr gefreut – und das war absolut keine glasklare Sache. Ich musste mich bewerben wie jeder andere auch.“ Im August hat Krebs seinen neuen Posten angetreten, seitdem gab es schon viel zu tun: Der neue Medienstaatsvertrag ist in Kraft getreten und das niedersächsische Mediengesetz wird überarbeitet. Und woran dem neuen Medien-Chef unseres Landes besonders liegt: gegen Hass im Netz ankämpfen. „Das Internet ist eben kein rechtsfreier Raum, wir müssen verfolgen statt löschen!“ Er selbst hat bereits Erfahrungen mit Morddrohungen in den Sozialen Medien gemacht. So ist Christian Krebs privat: Ein weiteres Anliegen: „Den Menschen besser zu vermitteln, wie Fake News von seriösen Nachrichten im Internet zu unterscheiden sind. Nicht alles, was im Internet steht, ist wahr.“ Die Tage wurden oft so lang im Büro, teilweise bis 22 Uhr, dass sich Krebs eine Wohnung im Zooviertel, gleich um die Ecke, mietete. Doch sein Hauptwohnsitz bleibt in Nordstemmen, ein kleines Dorf bei Hildesheim. Hier wohnt er (alleine) gleich neben seiner Mutter, der Vater ist schon viele Jahre verstorben, „hier habe ich ein Auge auf sie.“ Und was macht er in seiner Freizeit? Fernsehen, um als Direktor der Landesmedienanstalt zu wissen, was läuft? „Klar. Bei mir läuft immer Ntv oder Fußball, sonntags Formel Eins. Und ich gucke sehr gerne Anne Will – da wird schon schön debattiert“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Und auch wenn er für die klassischen Radio- und Fernsehprogramme steht: Hat er trotzdem einen Netflix-Account? „Ja – und Amazon Prime auch“, gibt er zu und lacht. Doch er schreibt auch gerne: „Ich arbeite gerade an einem Buch, drei Bände soll es geben. Mehr darf ich aber noch nicht verraten.“ Lesen Sie auch Lavinia Francke bleibt Generalsekretärin der Stiftung Niedersachsen Hannover: Das sind die Gewinner des Landesmedienpreises 2020 Von Josina Kelz