Bernhard Weiland aus Hannover fährt mit Öffis quer durch Deutschland

Die einen fahren mit Bus und Bahn zur Arbeit oder zur Schule – Bernhard Weiland reist mit ihnen. Von Hannover aus geht es mal Richtung Insel Neuwerk an der Nordsee, dann wieder zzu dem liebenswerten Örtchen Hohwacht an der Ostsee, zu den Zickerschen Bergen vor Rügen, nach Görlitz, zum Funtensee in Bayern und Kloster Andechs, zur Zeche Zollverein und nach Monschau in Nordrhein-Westfalen – alles mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), liebevoll Öffis, genannt. Warum tut sich das einer an? Bernhard Weilandt lacht. „Ja, es ist ein bisschen eine verrückte Idee gewesen. Ich bin Rentner und habe die Zeit. Und wollte wissen, ob es möglich ist, quer durch Deutschland mit dem ÖPNV zu fahren.“ Und es ist wahrlich nicht so, dass der ehemalige Sozialpädagoge immer in seniorengerechter Bequemlichkeit reisen würde. Mit dem Liegefahrrad ging es nach Marokko: Kaum war der heute 69-Jährige in Altersteilzeit, schnappte er sich am 31. Juli 2011 sein Liegefahrrad und ist „4000 Kilometer nach Marokko damit gefahren. Vier Monate war ich unterwegs. Von Hannover über Österreich, Schweiz, Italien, Spanien, Marokko mit dem Ziel Foum Zguid und weiter mit Nomaden durch die Wüste nach Mhamid.“ Ehefrau Petra Manske (64), Diplomheilpädagogin, kam nach, „die Etappe von Agadir über den Antiatlas nach Foum Zguid und weiter bin ich gemeinsam mit meiner Frau geradelt“. Und weil einem nach so einem Trip schnell langweilig werden kann, ging es von März 2015 bis Juli 2016 zu Fuß zum Fürst-Pückler-Park. Die Unesco-Welterbestätte liegt im sächsischen Bad Muskau an der polnischen Grenze, Weiland hatte kein Kartenmaterial oder Navi dabei. „Da habe ich mir unterwegs den Weg von Menschen weisen lassen. Das sind Ideen, die mir so kommen, weil ich gern auf andere Art und Weise reise, da erlebe ich anderes.“ Er habe wildfremde Menschen ansprechen müssen, „das ist mir nicht so gegeben, das war eine gute Übung“, sagt der frühere Sozialpädagoge. Seine Erlebnisse schrieb er nieder, veröffentlichte sie als Buch und nannte es ganz unspektakulär „Wegweisungen nach Bad Muskau. Ein Reisetagebuch“. Und titelt jetzt „Alter Mann im Bus“. Für den alten Mann im Bus war das durchaus Neuland. „Eigentlich fahre ich sonst Rad oder gehe zu Fuß, mein Arzt rät mir immer: Strecke machen“, sagt der 69-Jährige, der vor 20 Jahren auch sein Auto abschaffte. „Ich will das nicht ideologisieren, aber es ist eben unser Beitrag für den Klimaschutz“, erklärt er, warum er und Petra Manske das Auto Auto sein ließen. „In Hannover braucht man das nicht. Ich habe mir vor drei Jahren das letzte Stadtmobil-Fahrzeug gebucht, als ich es zum Transport benötigte.“ Ohnehin sind die beiden vor allem mit dem Fahrrad unterwegs, auch auf Reisen, „1977 die erste in die Lüneburger Heide mit Zelt und Fahrrädern ohne Gangschaltung“. Nachdem seine Frau allein mit dem Fahrrad durch westafrikanische Länder fuhr, unternahmen sie weitere Reisen mit Fahrrad oder lokalen Buslinien durch Zypern, Mallorca, Gambia, Korsika, Italien, „mehrmals Marokko mit Wüstenwanderungen. Teilweise haben wir die Fahrräder vor Ort gekauft und am Ende weiter verschenkt“. In großen Gelenkbussen saß er manchmal allein: Aber zurück zur Reise mit den Öffis, beziehungsweise zu den Reisen, die er damit zwischen 2016 und 2020 absolvierte. Nachdem Weiland die Idee hatte, kamen von Freunden und Verwandten Vorschläge für Orte, die er auf diese Weise abklappern sollte. Große Städte wie Leipzig waren darunter, aber auch kleine Orte, „in denen nur ein Bus täglich fährt, und das ist der Schulbus. In denen war es dann so voll, dass die Scheiben beschlugen und man nicht rausschauen konnte. Woanders in großen Gelenkbussen saß ich dann wiederum allein“. Dennoch – gerade deswegen hofft er, dass seine Leser Geschmack an solcher Art zu reisen finden würden. „Ich habe das als großes Erlebnis empfunden.“ Und klappte es denn immer mit den Verbindungen angesichts verschiedener Anbieter in den Bundesländern, den unterschiedlichen Zonen, Preisen und Plänen? „Ich musste mir das vorher selbst erarbeiten und dann funktionierte es zu 99 Prozent auch.“ Nur in Stade sei ihm der Bus einfach weggefahren, habe gar nicht erst gehalten. „Und deswegen hatte ich sämtliche Anschlüsse in Richtung Insel Neuwerk verpasst.“ Freddy Caruso kam mit der Pferdekutsche: Dorthin sollte ihn eigentlich sein alter Musikerkollege Fred Meier-Klocker aus Hannover – viele hier kennen ihn unter seinem Künstlernamen „Freddy Caruso“ – mit der Pferdekutsche bringen. Doch ohnehin waren die Priele zu voll, „wir sind dann am nächsten Tag mit dem Trecker rüber“. Aber das war die einzige Fahrt, die daneben ging. Ansonsten ist Verlass auf Bus und Bahn in Deutschland, sagt er. Es gebe mittlerweile viele digitale Anwendungen – in diesem Zusammenhang lobt Weiland auch die App und Fahrpläne der Deutschen Bahn. „Im Wesentlichen kann man alles buchen, auch den Nahverkehr.“ Wäre er Bundesverkehrsminister, antwortet er auf die Frage der NP, würde er dafür sorgen, dass diese App weiterentwickelt würde, statt überall neue Modelle auszuprobieren. „Die hat im Übrigen die hannoversche Firma Hacon erarbeitet“, erzählt er. „Die verstehen das am besten.“ Ist es nicht langweilig, stundenlang von A über B nach C zu fahren? „Es geht langsam, manchmal muss man viel warten, das habe ich mit Fotografie verbunden: Haltestellen fotografiert und aus den fahrenden Bussen die Landschaft“, so Weiland. „Der Zustand des Fahrens wurde abgebildet.“ Und was, wenn die Blase drückt? „Ich musste erfahren, dass es schwierig ist, unterwegs Toiletten zu finden. Oft gibt es nicht mal eine auf dem ZOB“, berichtet er aus leidvoller Erfahrung. „Immer einen Busch zu suchen, ist auch nicht so schön“, resümiert er. „Aber es war eben auch Selbsterfahrung.“ Das Buch „Alter Mann im Bus“ erscheint im Hamburger Tredition-Verlag und ist im Buchhandel und Online-Shops als Paperback (12,99 Euro), Hardcover (21,99 Euro) oder eBook (2,99 Euro) erhältlich. Lesen Sie auch Margarete von Schwarzkopf hat neuen Hannover-Krimi geschrieben Katzen-Krimi-Autorin Wolpert schreibt „Dunkle Geschichten aus Hannover" Neue Bücher im Corona-Herbst: Elf Tipps für Hannover Von Petra Rückerl