Atze Schröder: Wann der Comedian echte Gefühle zeigt

Er hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen, manche landen auch unter der Gürtellinie: Atze Schröder (54) ist seit 25 Jahren im Geschäft, trat in dieser Zeit mit vielen Programmen auf, räumte als Comedian viele Preise ab. Auch wenn er sich nie ohne Perücke und Pilotenbrille zeigt, fiel kürzlich in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz die Maske: Schröder war den Tränen mehrfach nahe, entschuldigte sich bei der Holocaust-Überlebenden Eva Szepesi (87) für die Nazi-Verbrechen seines Vaters. Darauf angesprochen, sagt er heute nur: „Die Sendung spricht für sich.“ Herr Schröder, bei welchem Anlass haben Sie zuletzt echte Gefühle gezeigt? Oft, ich bin ja nah am Wasser gebaut. Ich war zum Beispiel mit meinem Patenkind in der Neuverfilmung des „König der Löwen“ und als Mufasa, Simbas Vater, dran glauben musste … ... hat wer zuerst geheult? Ich! Da war es vorbei, es war einfach um mich geschehen. Meine Patentochter, sie ist 14, sagte nur: Jetzt reiß’ dich mal zusammen. Warum tun sich Leute so schwer, Gefühle zu zeigen? Tja, weil man dann die Maske fallen lassen muss. Und dann bist du angreifbar. Wir machen das ja nur, wenn wir uns sicher fühlen in unserer Umgebung. Allerdings ist in unserem Umfeld so vieles gefaked heutzutage. Der Comedian fühlt sich von der Werbung veräppelt: Inwiefern? Ich bin auf den Titel des Programms gekommen, weil ich bei Rossmann Shampoo kaufen wollte – ganz im Ernst. Ich hatte eins in der Hand, da stand „Für langes, verführerisches Haar“ drauf. Das ist doch alles Blödsinn. Man wird so oft belogen, etwa, dass sich über eine App alle elf Minuten jemand verliebt. Oder dass Jürgen Klopp Werbung für einen Opel Mokka macht. Der verdient zehn, 15 Millionen im Jahr, er wird garantiert nie dieses Auto fahren. Am 6. Februar zeigt Atze Schröder ein ganz anderes Gesicht von sich – trotz Perücke und Pilotenbrille. Er ist zu Gast in der gleichnamigen Talkshow von Markus Lanz, hört dort zunächst der Lebensgeschichte von Eva Szepesi zu (87). Sie wurde als Zwölfjährige nach Auschwitz deportiert, berichtete über die Zeit im Konzentrationslager. Ihre Familie kam in den Gaskammern ums Leben, das Mädchen überlebte nur, weil sie so geschwächt gewesen ist, dass sie für tot gehalten wurde. Dann der emotionale Redebeitrag des sonst so lustigen und in Privatdingen sehr zurückhaltenden Atze Schröder: Er erzählte sichtlich bewegt, dass sein Vater, zu dem er bis zu seinem Tod ein sehr enges Verhältnis hatte, als 17-Jähriger in den Krieg gezogen ist – und erst im Alter von 30 Jahren zurückkehrte. Im Zweiten Weltkrieg hat er als Soldat „die schlimmsten Sachen gemacht“, wusste der 54-Jährige zu berichten. „Nach dem Krieg hat er sich entschieden, diese Tür erst mal zuzumachen und ein gutes Leben zu führen“, berichtete der Comedian, immer wieder kämpfte er mit den Tränen, rang um Fassung. Über seinen Vater – er starb vor neun Jahren – sagte er: „Wenn er heute hier wäre, wenn er heute hier sitzen würde, dann würde er sich entschuldigen.“ Schließlich ging er schließlich auf Eva Szepesi, die mit ihrer Tochter in die Sendung gekommen war, zu, ergriff ihre Hände, sagte ihr: „Es tut mir leid.“ Und, zurück auf seinem Platz, ergänzte er noch mit Nachdruck und dünner Stimme: „Wir dürfen das nie vergessen.“ Und während sich Szepesi später positiv über die spontane Entschuldigung äußerte, gab es so einige Anfeindungen aus dem rechten Lager Schröder gegenüber. mc Sie haben das Programm dreigeteilt. Erzählen Sie davon. Anfangs geht es um das Echte, im zweiten Set um Gefühle und zum Schluss um echte Gefühle. Ein großer Teil dreht sich allerdings darum, wie unecht alles ist. Das fällt einem ja schon gar nicht mehr auf, weil man den ganzen Tag mit falschen Versprechungen bombardiert wird. In der Werbung zum Beispiel. Aber es gibt da ja wenigstens einen Aufrechten (setzt sich gerade hin). Jürgen Klopp (lacht). So definiert Schröder die perfekte Liebesbeziehung: Lassen Sie uns über Gefühle in Beziehungen sprechen: Wer hat mehr Hemmungen, echte Gefühle zu zeigen – Männer oder Frauen? Jeder wird da auf seine Art gehemmt sein. Für mich gehören ganz klar vier Dinge zu einer perfekten Beziehung: Zusammen leben, sich gegenseitig toll finden, labern ohne Ende und Sex haben. Oder sagen wir mal Zärtlichkeit. Wie wollen Sie die Gefühle bei Ihren Zuschauern rauskitzeln? Jeder Abend ist da anders, so wie jedes Publikum anders ist. Du kannst aber als Komiker nur erfolgreich sein, wenn du bereit bist, das Herz in die Hand zu nehmen, es vor dich zu halten und dich so auch angreifbar zu machen. Jetzt kann man natürlich sagen, Atze ist immer ein bisschen lauter, er hat immer den einen Spruch mehr. Aber wer meine Programme der vergangenen Jahrzehnte verfolgt hat, weiß: Ich haue mich auch immer selbst in die Pfanne. Es kann immer nur so lange gut funktionieren, so lange man ehrlich ist. Wie wichtig sind sogenannte Previews, ehe die Tour so richtig startet? Gute Nummern fürs Programm müssen erprobt werden, das Timing muss stimmen und erspielt werden – das kann man nicht schreiben. Einige Gags entstehen auch erst auf der Bühne. Deswegen führt eine lange Previewphase meistens zu einem besseren Programm. Wie ist denn die Resonanz bisher? Sehr gut. Bei den alten Fans merke ich, dass sie goutieren, sie in all den Jahren nicht im Stich gelassen, nicht einfach aufgehört und mich aus dem Staub gemacht zu haben. Und die Jüngeren kommen wahrscheinlich, um zu sagen: Ich habe ihn noch lebend gesehen (lacht). Gibt es Gags, die so gar nicht ankommen? Oder lachen Leute an Stellen, die Sie nicht für möglich gehalten hätten? Das kann wirklich ganz genau so passieren. Nummern, von denen man gar nicht überzeugt ist, funktionieren. Und die, von denen du denkst, den totalen Hit in der Tasche zu haben, kacken total ab. Bei meinem Programm „Richtig fremdgehen“ hatte ich bei der Begrüßung einen Gag für Pärchen: „Wir schauen jetzt einfach mal unseren Partner an und sagen: Mehr war einfach nicht drin“. Der hat meistens nicht gezündet. Vielleicht, weil er zu bitter war. Gerade bei Leuten, die schon 25 Jahre zusammen sind. Den Gag habe ich dann rausgenommen. Schröder legt Perücke und Pilotenbrille nie ab: Wofür auf der Welt würden Sie Ihr 80er-Image ablegen? Was heißt hier 80er? Ich gehe doch voran als Stilikone. Die Locken kommen auch wieder – spätestens, wenn wir Fußballweltmeister sind. Enge T-Shirts, enge Jeans, ich habe schon vor 25 Jahren Skinny Jeans getragen! Wie viele Brillen besitzen Sie? Jetzt gerade dabei? Drei. Eine für die Bühne, eine zum Lesen und eine für den Notfall, falls einer im Publikum die Nerven verliert und sie kaputthaut. Zu Hause sind da noch einige mehr. Atze Schröder tritt am 8. März um 19 Uhr mit seinem Programm „Echte Gefühle“ in der Swiss Life Hall auf. Tickets kosten zwischen 34,35 und 42,40 Euro und sind erhältlich unter anderem in den NP-Ticketsshops (etwa Lange Laube 10) und online. Lesen Sie auch: Atze Schröder entschuldigt sich bei Holocaust-Überlebender Warum Atze Schröder die Show „Alles Atze“ nicht nochmal machen würde Von Mirjana Cvjetkovic

Interview - Wann Atze Schröder echte Gefühle zeigt