Von Annette Rose
Hannover. An der U-Bahn-Station Werderstraße (Vahrenwald) hatte Refki R. (23) sein Opfer angesprochen. Der 2005 wegen dreifachen Kindesmissbrauchs vorbestrafte Mann soll den Elfjährigen in einen Hausflur gezerrt und mehrfach mit Schlägen bedroht haben, ehe er ihn vergewaltigte und zum Oralsex zwang. Doch Montag im Prozess vor dem Landgericht Hannover gab es eine Überraschung: Eine Psychologin hält das Kind nur für eingeschränkt glaubwürdig.
Der Junge habe die Bedrohung erfunden, in weiteren Aussagen sogar von einem Messer gesprochen, so Sachverständige Monika Ulrich. Er besitze nicht den Reifegrad eines Elfjährigen und habe sich ungefragt dafür gerechtfertigt, warum er sich gegen „den großen Jungen“ nicht zur Wehr gesetzt hatte.
Hat der Täter gespürt, dass er von dem Jungen kein Misstrauen und keine Gegenwehr zu erwarten hatte? Weil Refki R. keine Gewalt anwendete, soll er milder bestraft werden. Der Vorwurf des Kindesmissbrauchs unter Gewaltanwendung sei vom Tisch, so Verteidigerin Tanja Brettschneider. Jetzt gehe es „nur“ noch um schweren Kindesmissbrauch.
Der 23-Jährige hat die Vergewaltigung gestanden. Aus seiner Sicht sei der Junge freiwillig mitgegangen. Im Gespräch mit Ankläger und Verteidigerin sollen die Richter unter Vorsitz von Monika Thiele maximal vier Jahre und drei Monate Haft in Aussicht gestellt haben. Der Strafrahmen für schweren Kindesmissbrauch beträgt ein bis 15 Jahre. Laut einem psychiatrischen Gutachten ist der Angeklagte voll schuldfähig.
Verteidigerin Brettschneider will jedoch für eine geringere Strafe streiten: R. habe durch seinen Vater viel Gewalt erfahren. Nach der Flucht aus dem Kosovo sei er als Sechsjähriger in einem Asylantenheim in Rethen vergewaltigt worden. Außerdem sei er wegen eine Psychose behandelt worden. Sie zweifle an seiner Schuldfähigkeit.
Die Richter haben den Psychiater mit einer ergänzenden Begutachtung beauftragt. Die Feststellung einer psychischen Störung bringt dem Angeklagten aber nur dann Strafmilderung, wenn sie Einfluss auf die Tat hatte.